Berlin:Einsamer Tod: in Berlin keine Seltenheit

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Name, Lebensdaten, die letzte Adresse - und eine Kerze. Es ist eine ungewöhnliche Trauerfeier in der Berliner Marienkirche am Alexanderplatz. Vor Totensonntag...

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Berlin (dpa) - Name, Lebensdaten, die letzte Adresse - und eine Kerze. Es ist eine ungewöhnliche Trauerfeier in der Berliner Marienkirche am Alexanderplatz. Vor Totensonntag gilt sie rund 50 Menschen, die in diesem Jahr im Bezirk Mitte einsam gestorben sind. Einsam heißt: ohne Verwandte und mittellos. Trauerfeiern würde es für sie normalerweise gar nicht geben.

Der Bezirk hat beschlossen, das zu ändern. Gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte gab es für die einsam Gestorbenen am Freitagabend eine letzte Ehrung. Für jeden Toten entzündete die Trauergemeinde eine Kerze. Es sind Berliner darunter, die wurden kaum älter als 40, andere fast 100.

Dass Menschen einsam ist Berlin sterben ist keine Seltenheit. In der Hauptstadt seien die Gesundheitsämter für die Beerdigung zuständig, erläutert Fabian Lenzen, Sprecher der Berliner Bestatter-Innung. Er schätzt die Zahl der „ordnungsbehördlichen Bestattungen“ auf rund 2000 pro Jahr. Die Ämter werden in der Regel eingeschaltet, wenn sich weder Ehepartner oder Elter noch erwachsene Kinder oder Geschwister finden lassen und kein Nachlass vorhanden ist.

In der Regel werde ein Mensch in einer Urnengemeinschaftsanlage ohne Namen auf dem kostengünstigsten Berliner Friedhof beigesetzt, berichtet Lenzen. Oft übernehme ein Friedhofsmitarbeiter die Beisetzung. „Es gibt dann auch manchmal Sammelbestattungen“, ergänzt Lenzen. Berlins Bezirke sind knapp bei Kasse. 800 bis maximal 1500 Euro Gebühren sind für eine ordnungsbehördliche Bestattung vorgehen.

Es gibt in Berlin bereits Initiativen, die solch einen einsamen Abschied verhindern möchten. Auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor erinnert seit 2001 das „Grab mit vielen Namen“ an gestorbene Obdachlose. Von Amts wegen würden sie anonym bestattet. Die Heilig-Kreuz-Gemeinde wollte ein Zeichen dagegen setzen. 66 Namen sind bis heute in der Grabstelle eingraviert. Die Gemeinde, die sich sehr für Obdachlose engagiert, finanziert das mit Spenden.

In der Marienkirche wolle die Trauerfeier ein gesellschaftliches Zeichen dafür setzen, dass allen Menschen nach dem Tod ein würdiger Abschied zustehe, sagt Superintendent Bertold Höcker. Ob die Verstorbenen religiös waren oder nicht, spiele dabei keine Rolle.

Zu wenig Geld für eine Beerdigung ist in Berlin dagegen kein Hindernis für einen Abschied in Würde. Stirbt ein Mensch mittellos und hat auch seine Familie nachweislich keine finanziellen Spielräume, kann sie einen Antrag auf eine Sozialbestattung stellen. Stimmt das Sozialamt zu, übernimmt es auch die Kosten.

In Berlin gab es 2018 rund 1500 Sozialbestattungen, die insgesamt rund zwei Millionen Euro kosteten. Das waren weniger als im Jahr 2011. Damals wurden 2780 Sozialbestattungen bewilligt und die Ausgaben beliefen sich auf 2,7 Millionen Euro. In Berlin sterben im Schnitt rund 34 000 Menschen pro Jahr.

„Ich sehe nur einen Ausschnitt“, sagt Innungs-Sprecher Lenzen. „Insgesamt kann man schon sagen, dass sich die finanzielle Lage in Berlin ein bisschen entspannt hat.“ Das merkten Bestatter auch im Gespräch mit Angehörigen. „Das Thema der Kosten steht nicht mehr so im Vordergrund wie noch vor zehn Jahren. Es geht heute eher um Inhalte.“ Außerdem sorgten mehr Berliner als früher für ihre Beerdigung vor.

Berlin erstatte den Beerdigungsinstituten bei Sozialbestattungen eine Pauschale von 750 Euro plus Kosten für Friedhof und Krematorium, berichtet Lenzen. Darin seien unter anderem der Sarg, die notwendigen Überführungen und eine einfache Trauerfeier enthalten. „Diese Pauschale ist keine optimale Lösung, wir verhandeln gerade über eine Anpassung“, ergänzt er.

Denn es gebe Fälle, wo Verstorbene aus der fünften Etage abgeholt werden müssten, zwei Wochen beim Bestatter im Kühlraum lägen und die Hinterbliebenen eine Erdbestattung mit Organist und Blumen wünschten. „Dann haut das mit der Pauschale einfach nicht mehr hin.“ Viele Bestatter nähmen solche Aufträge trotzdem an. „Letzten Endes ist es auch eine soziale Verantwortung“, sagt Lenzen. „Da kann ja der Angehörige nichts für, dass das Sozialamt aktuell nicht mehr Kosten übernimmt.“

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