Kolumne La Boum:Jutebeutel und Komposteimer

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(Foto: Steffen Mackert)

Nach vier Jahren in Paris ist unsere Kolumnistin Expertin für deutsch-französische Paarbeziehungen geworden.

Von Nadia Pantel

Als ich vor vier Jahren als Korrespondentin nach Frankreich gezogen bin, habe ich drei Dinge unterschätzt. Erstens hätte ich mir früher klarmachen sollen, wie der dauerhafte Verzehr von Zitronentörtchen einen Körper verändert. Zweitens hätte ich vor meinem Umzug in die Wasserschaden-Metropole Paris einen Klempnerkurs auf Youtube beginnen sollen. Und drittens war mir nicht klar, dass ich zu so etwas wie einer länderübergreifenden Paartherapeutin werden würde.

Über Paarbeziehungen bei Menschen weiß man, dass meist beide Beteiligten davon ausgehen, öfter abzuwaschen und besser aufzuräumen als der andere. Nur: Wenn zwei Menschen jeweils 70 Prozent der Hausarbeit erledigen, dann ist die Wohnung am Ende komplett überschrubbt. Bei Paarbeziehungen zwischen Ländern scheint es ähnlich zu sein. Da neigt jeder zum großzügigen Blick auf den eigenen Anteil. In der deutsch-französischen Beziehung gibt es zum Beispiel häufig den Moment, in dem der deutsche Teil der Familie demonstrativ (und meist verbal) die Jutebeutel auf den Tisch legt.

In dieser Woche habe ich an einer deutsch-französischen Podiumsdiskussion teilgenommen, bei der es wieder einen dieser Wir-in-Deutschland-trennen-ja-immer-unseren-Müll-und-ihr-so-Momente gab. Deutsche sind ja betont unpatriotisch. Außer beim Recycling, da kleben sie einander Sticker auf die Schulter, auf denen "Ökologie-Avantgarde" steht, während sie Papier zu Papier legen und Plastik zu Plastik. Die Sticker sind biologisch abbaubar.

Spätestens beim Hahn müssen die Deutschen in den Paartherapie-Sitzungen lachen

Als frisch diplomierte Paartherapeutin packe ich dann gerne meine Kompost-Anekdote aus. Die dient dazu, die klaren Hierarchien in der Beziehung aufzulösen. Sie geht so: Als ich mal morgens auf den Markt ging, hatte dort die Stadt Paris einen Stand aufgebaut, vor dem 30 Menschen Schlange standen. Mir drückte sofort jemand einen braunen Plastikeimer in die Hand: Bitte, für Ihren Kompost! Ob ich mich für das Kompostprogramm registrieren wolle, ich müsste nur jede Woche meinen braunen Eimer zum Markt tragen. Ich wollte nicht. Alle anderen auf dem Markt anscheinend schon. Kurz darauf fragte meine Nachbarin, ob sie mich auf die Warteliste für ein "Kompost-Projekt" setzen solle, es seien nur 20 Leute vor mir an der Reihe. Als Teilnehmer des Kompost-Projektes darf man: seinen Kompost zu einer Tonne tragen. Neben der Tonne laufen außerdem Hühner herum. Es ist in einem Ein-Kilometer-Umkreis um meine Wohnung der fünfte verdammte Hühnerstall, denn jeder will lokale Bio-Eier.

Und als ich am Sonntag ohne meinen Kompost wieder auf den Markt ging, fragte eine Freundin, ob ich auch immer den Hahn höre am Morgen. Denn ja, irgendjemand hat bei uns im Quartier jetzt auch einen Hahn. Spätestens beim Hahn müssen die Deutschen in den Paartherapie-Sitzungen lachen. Tragen die Franzosen denn jetzt auch Socken in Sandalen, fragen sie dann. Nein, antwortet die Therapeutin, nein, nein, nein.

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