Familienministerin vs. Feministin:Von Mädchen und Mimosen

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Wortgefechte zwischen Alice Schwarzer und Ministerin Kristina Schröder: Es gilt die Macht der Verbal-Guillotine. Es zeigt sich, wie schlecht Deutschlands Vorzeigefeministin mit Kritik umgeht.

Dorothea Grass

Nein, das konnte sie noch nie besonders gut. Wie schlecht sich die Herausgeberin der feministischen Zeitschrift Emma darin zeigt, mit Kritik umzugehen, belegt die Auseinandersetzung mit Familienministerin Kristina Schröder. In einem Interview mit dem Spiegel hatte sich die 33-jährige CDU-Politikerin zum Thema Feminismus geäußert - und natürlich kam die Rede auch auf die Ikone der feministischen Bewegung, die Journalistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer.

Die Journalistin, Frauenrechtlerin und Bild-Reporterin Alice Schwarzer vor dem Landgericht Mannheim, in dem der Prozess gegen den wegen des Verdachts der Vergewaltigung angeklagten Meteorologen Jörg Kachelmann stattfindet. (Foto: dapd)

Kristina Schröder, die in ihrer Abi-Zeitung angegeben hatte, niemals Feministin werden zu wollen, erzählte unter anderem, bei der Lektüre von Schwarzers Büchern Der kleine Unterschied (1975), Der große Unterschied (2000) und Die Antwort (2007) - die sie insgesamt "sehr pointiert und lesenswert" findet - mit einigen Thesen nicht einverstanden gewesen zu sein. Dass heterosexueller Geschlechtsverkehr beispielsweise kaum ohne die Unterwerfung der Frau möglich sei, so die Ministerin, hätte bei ihr nur eine Reaktion hervorgerufen: "Sorry, das ist falsch." Und "nicht wirklich überzeugend" sei für sie auch die Schlussfolgerung einer radikalen Strömung des Feminismus gewesen, die darin bestanden habe, "lesbisch zu sein".

Alice Schwarzer, 67, sah sich daraufhin zu einem Rundumschlag veranlasst. Ihre Reaktion ist vernichtend. Auf ihrer Homepage schreibt die einstige feministische Vorreiterin, ihre Geschlechtsgenossin verbreite "Stammtisch-Parolen aus den 1970er Jahren", sei "ein hoffnungsloser Fall" und für ihren Posten "schlicht ungeeignet". Ihr Rat: Sie solle doch besser eine Stelle als Pressesprecherin "der neuen, alten so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde und ihrer Sympathisanten" annehmen.

Das zeugt weder von Stil, noch von großer Selbstreflektion. Alice Schwarzer arbeitet zurzeit für Bild als Gerichtsreporterin im Fall Kachelmann. Zuvor hatte sie - als eine der Ersten - in einer großangelegten Kampagne bereits für das Blatt geworben. Ein Blatt, dessen Duktus sich durchaus als öffentlichkeitswirksam bezeichnen lässt, dessen Inhalte dem Prädikat "konservativ" ebenfalls gerecht werden und in dessen Onlineauftritt sich Werbung für Handschellen findet, die mit rosa Plüsch bezogen sind.

Alice Schwarzers Botschaft ist klar: Wenn hier jemand über die Emanzipation der Frau Bescheid weiß, dann sie. Wer das anzweifelt, ist unfähig. Gönnerhaft schreibt sie in ihrem Brief an Kristina Schröder zu ihrer Kritik an dem Buch Der kleine Unterschied: "Das war, wie gesagt, 1975, zwei Jahre vor Ihrer Geburt. Seither habe ich noch dies und das veröffentlicht. Inzwischen schreiben wir nämlich das Jahr 2010. Doch auch dazu reproduzieren Sie nichts als Klischees."

Es ist nicht das erste Mal, dass die renommierte Autorin einen Hang zu Überreaktionen zeigt. Fast wirkt Alice Schwarzer dabei sogar mimosenhaft. Selten zielt sie dabei auf Männer, sondern es sind vor allem jüngere, erfolgreiche Frauen, gegen die sie in der Vergangenheit giftete und denen sie in einer Art Ultima-ratio-Strategie jegliche Kompetenz absprach.

So war es im Jahr 2008 die Journalistin Lisa Ortgies, die als Chefredakteurin der Emma die Nachfolgerin von Schwarzer werden sollte. Schon kurz nach Amtsantritt lagen die jüngere Chefin und die Herausgeberin über Kreuz. Ortgies kündigte. Und Schwarzer verabschiedete sie öffentlich mit den wenig kollegialen Worten: "Zu unserem Bedauern eignet sich die Kollegin nicht für die umfassende Verantwortung einer Chefredakteurin." Die Zeitschriften-Gründerin entschied, bis auf Weiteres die Chefredaktion wieder zu übernehmen.

So war es im gleichen Jahr, als Alice Schwarzer, das "personifizierte Sturmgeschütz der Gleichberechtigung" (Michael Gotthelf, Vorsitzender der Ludwig-Börne-Stiftung), für ihr Engagement für Demokratie und die Frauenbewegung den Ludwig-Börne-Preis erhielt. In ihrer Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche konnte sie nicht anders: Sie musste die "neuen deutschen Mädchen" und ihre Thesen zu einem jüngeren Feminismus auf ihre Plätze verweisen und bescheinigte den "Girlies" "Wellnessfeminismus", der die eigenen Bedürfnisse über die eigentliche, große Sache stelle.

Gemeint waren damals Jana Hensel und Elisabeth Raether, die mit ihrem Buch Neue Deutsche Mädchen 2008 für Aufmerksamkeit sorgten. Gemeint waren auch die Alphamädchen Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl, ebenfalls junge Autorinnen, die in ihrem Buch von einer Weiterentwicklung des Feminismus sprachen.

Unvergessen bleibt selbstverständlich die legendäre Auseinandersetzung mit Verona Pooth - damals noch Feldbusch - im Jahr 2001 auf den Talksesseln von Johannes B. Kerner. "Wie doof müssen Männer sein, dass sie auf Verona abfahren?", fragte die Frauenrechtlerin im Fernsehen.

Man kann über tiefe Dekolletés oder Frauenquoten in der Wirtschaft geteilter Meinung sein. Es untergräbt aber die Glaubwürdigkeit einer verdienten Feministin, wenn Kritik mit verbalem Guillotinieren gekontert wird. Manchen wird es so vorkommen, als sei die Diskussion um die Gleichstellung der Frau ein "Zickenkrieg". Und damit wären wir wieder am Anfang.

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