Expertentipps für den Kindergeburtstag:"Einer heult doch immer"

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Autor Georg Cadeggianini hat sechs Kinder und mit ihnen schon etwa 264 Kindergeburtstage mitgemacht. Ein Gespräch über Höhen, Tiefen und Ängste am wichtigsten Tag des Jahres für das Kind - und darüber, wie Eltern die Herausforderung meistern.

Katja Schnitzler

Wenn Autor Georg Cadeggianini, 34, die Geburtstage seiner eigenen sechs Kinder zwischen drei und zwölf Jahren zusammenzählt und noch je fünf Einladungen pro Kind und Jahr dazurechnet, hat er bereits 264 Kindergeburtstage aus der Nähe und der Ferne mitgemacht - etliche Feiern fanden bei ihm zu Hause auf 93 Quadratmetern statt, "manchmal mit der ganzen Schulklasse. Auf jeden Fall mit den anderen fünf Geschwistern". Ein Gespräch über mehr Gelassenheit beim Thema Kindergeburtstag.

Dass es am Kindergeburtstag turbulent wird, können Eltern nicht vermeiden, sollten sie auch nicht. Dass es Tränen gibt, ist ebenfalls unausweichlich - aber das ist nicht so schlimm, solange die Gastgeber gelassen bleiben. (Foto: Vasiliki Varvaki / iStockphoto)

Süddeutsche.de: Warum haben Eltern Angst vor Kindergeburtstagsfeiern?

Georg Cadeggianini: Die haben sie vollkommen zu Recht, Kindergeburtstage sind die Steilvorlage für Enttäuschungen. Die Erwartungen sind riesig: bei den Kindern - aber auch bei den Eltern, die die Bilder ihrer eigenen Kindergeburtstage im Kopf haben.

Süddeutsche.de: Aber die Fotos von früher verfälschen die Erinnerung. Schließlich wird nicht das Bild vom weinenden Kind ins Album geklebt ...

Cadeggianini: Klar, und trotzdem gehen wir der Sache auf den Leim. Wir wollen unseren Kindern die perfekte Party bieten. Und irgendwann läuft ausgerechnet das Geburtstagskind heulend ins Zimmer und knallt die Tür zu. Das ist nicht schön, aber normal.

Süddeutsche.de: Und wie bekommt man es dort wieder heraus?

Cadeggianini: Wer gleich hinterherstürzt, riskiert, seine eigene Enttäuschung über dem Kind zu entladen, weil es gerade dabei ist, die perfekt geplante Party zu sprengen. Also sollten Eltern zunächst selbst abkühlen und erst dann ins Kinderzimmer gehen. Schließlich hat sich der Nachwuchs gerade die Blöße gegeben, vor seinen acht besten Freunden heulend rauszurennen. Da verlangt es dem Kind schon einiges an Kraft ab, überhaupt wieder zu erscheinen.

Süddeutsche.de: Wie können Eltern diese Situation vielleicht ganz vermeiden?

Cadeggianini: Meine Strategie ist in Wellen zu feiern, auch Stimmungs-Täler zuzulassen: Auf ein Actionspiel folgt etwas Ruhigeres, bei dem die Kinder sitzen. Wer das Adrenalin ständig hochhält, geht unter.

Süddeutsche.de: Viele Eltern planen aber den ganzen Nachmittag durch. Sind sie besorgt, dass die Stimmung kippt, sobald sie nicht als Entertainer auftreten?

Georg Cadeggianini mit Frau, Töchtern und Söhnen. Beim Kindergeburtstag sind alle dabei - und manchmal die gesamte Schulklasse als Gäste. (Foto: Stephanie Fuessenich)

Cadeggianini: Wenn so eine Eltern-Entertainer-Nummer wirklich aufgeht, ist es doch meistens kein Kinderfest mehr. Dann sind die Kinder Zuschauer und nicht Festgäste. Und Planen ist toll, um was in der Hinterhand zu haben, ein paar Joker, um eine randalierende Kinderhorde mit einem ruhigen Spiel wieder einzufangen - und andersherum. Aber am besten ist es doch, wenn man die Planung irgendwann über Bord werfen kann, wenn sich das Fest verselbständigt. Und wenn die Kinder zum Beispiel nicht aufhören wollen, sich zu verkleiden, heben sich die Eltern die vorbereiteten Bastelsachen eben für einen Regennachmittag auf.

Süddeutsche.de: Welches Spiel kann selbst kleine Action-Helden vom Toben abhalten?

Cadeggianini: "Vergiftete Smarties." Schon der Name ist super - und Süßigkeiten gibt's auch. Die werden in der Mitte ausgekippt, dann geht ein Kind raus und die anderen bestimmen, welche Farbe "giftig" ist. Wenn das Kind wieder hereinkommt, darf es so lange futtern, bis es ein "Giftiges" erwischt. Da fiebern alle mit.

Süddeutsche.de: Und wer gleich das vergiftete Smartie erwischt, heult los?

Cadeggianini: Jedes gute Spiel birgt die Gefahr, dass es Tränen gibt. Aber das gehört dazu und ist auch nicht schlimm. Schließlich sind die Kinder so aufgeregt, dass sie sowieso schneller weinen. Beim Schokoladenessen in Winterkleidung etwa weint immer jemand, wenn er noch in die Fäustlinge schlüpft und ein anderes Kind schon eine Sechs gewürfelt hat und er kein einziges Schokoladenstück abkriegt. Das ist hoch emotional - aber dafür spannend.

Süddeutsche.de: Was halten Sie von dem Klassiker Topfschlagen?

Cadeggianini: Nichts. Da sind die Erwachsenen mit dem Lenken des jeweiligen Kindes beschäftigt, der Rest der Gruppe langweilt sich bald. Man muss es sich ja nicht härter machen, als es sowieso schon ist.

Süddeutsche.de: Wird es irgendwann leichter?

Cadeggianini: Wenn Jugendliche allein feiern wollen, hoffe ich zumindest. Und bei Jungs-Geburtstagen. Ab einem gewissen Alter sind alle zufrieden, wenn man einen Ball in die Mitte wirft und schnell zur Seite springt. Dann muss man nur noch für "Winterwasser" sorgen, wie mein Sohn sagen würde, also für kühle Getränke.

Süddeutsche.de: Aber wenn die Jungs doch nicht nur mit dem Fußball glücklich sind?

Cadeggianini: Das sagen die ja vorher. Und dann sucht man was anderes. Was zum Geburtskind passt, was aber auch den Eltern irgendwie Spaß macht. Ich zum Beispiel finde das Schreispiel super: Zwei Gruppen stehen sich gegenüber, etwa 20 Meter voneinander entfernt. Hinter ihnen steht jeweils einer der anderen Gruppe, der Horcher. Dann bekommt jede Gruppe ein Wort geflüstert. Auf "Los" müssen beide gleichzeitig versuchen, sich ihrem Horcher verständlich zu machen. Ein wahnsinniges Geschrei, ein Actionspiel ohne viel Bewegung. Wir sollten mal eine Schatzsuche machen, das war Auftragsarbeit vom Sohn. Mein Reisekoffer ist noch immer mit Goldfolie überzogen. Da mussten die Kinder den Code rausbekommen. Hinweise hatten wir in Luftballons versteckt. Solche Detektivspiele können sogar den Fußball ersetzen.

Süddeutsche.de: Etwa wenn das Kind im Winter Geburtstag hat ...

Cadeggianini: Einer meiner Söhne hat am 26. Dezember Geburtstag. Wir nehmen uns auch die Freiheit, die Feier in den Sommer zu verlegen. Aber mit einem Luftmatz kann man sogar bei schlechtem Wetter in der Wohnung Ball spielen. Das ist ein Stoffüberzug, in den man einen Luftballon steckt und aufbläst. Dieser Ball tut nicht weh, macht nichts kaputt und geht auch selbst nicht kaputt. Falls doch, reicht ein neuer Luftballon für die Reparatur.

Süddeutsche.de: Nun haben alle Spaß, nur ein Kind nicht - wie binden Sie das wieder ein?

Cadeggianini: Natürlich kann man ihm gut zureden oder es mit Süßigkeiten bestechen. Funktioniert das? Eher selten. Ich würde dem Kind Zeit geben, sich selbst wieder zu integrieren. Das klappt meistens am besten. Es weiß ja selbst, dass es gerade Außenseiter ist. Da fühlt es sich blöd an, wenn die Eltern noch eins obendrauf geben: "Was kann ich für dich tun?" Kinder merken sowieso, dass die Gasteltern eigentlich meinen: "Nun zieh nicht so ein Gesicht, mach mit und verdirb uns nicht die Laune!"

Süddeutsche.de: Und wenn es sich um ein eifersüchtiges Geschwisterkind handelt?

Cadeggianini: Da ist es ganz ähnlich. Dem kann man natürlich erklären, dass man seine Gefühle versteht und es ja auch Geburtstag feiern darf, vielleicht schon bald. Leider nützt das in dem Moment meist recht wenig. Mir hilft da eine vorgenommene Gelassenheit: Einer heult doch immer. So ist das nun mal. Wenn man große Gefühle haben will, gehört das eben auch dazu. Und ich denke in solchen Momenten an meine Großmutter, inzwischen 97, die sagt: "Geburtstag hat ein jeder Hund, letztlich geht es doch um den Namenstag."

Georg Cadeggianini arbeitet als Kolumnist und Redakteur für die Zeitschrift Brigitte . Kürzlich erschien sein Buch "Aus Liebe zum Wahnsinn" (Fischer-Verlag, 9,99 Euro) über sein Familienleben zwischen Tumult und Leichtsinn, zwischen Wildschweinjagd mit dem blinden italienischen Onkel und Lachgas im schottischen Kreißsaal.

Es ist ein Drama, oder? Die Süddeutsche.de-Erziehungskolumne zum Experteninterview finden Sie hier.

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