Essay über die Arbeiterklasse:Die Wiederkehr des Proletariats

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In Deutschland sank der Anteil der Industrieproduktion von 1995 von 32,9 auf 30,5 Prozent im Jahr 2015. (Foto: dpa)

Immer häufiger beschwören Politiker die Arbeiterklasse: Wie Donald Trump, die neuen Rechten und Martin Schulz den Mythos vom Arbeiter benutzen, um Gefühle der Zugehörigkeit zu schaffen.

Von Thomas Steinfeld

Es war einmal eine Arbeiterklasse. Die Menschen, die ihr angehörten, besaßen manchmal eine Ausbildung als Schweißer, Bergmann oder Drucker, manchmal waren sie ungelernt. Sie kannten "kein Vaterland", wie es im "Kommunistischen Manifest" (1848) von Friedrich Engels und Karl Marx heißt, sie arbeiteten hauptsächlich in Fabriken und lebten in Arbeitervierteln. Schweißer, Fabriken und Arbeiterviertel gibt es zwar immer weniger, jedenfalls in den reichen Staaten der westlichen Welt. Aber noch sind einige da. Diesseits der IG Metall jedoch scheinen sich die Arbeiter kaum mehr als Kollektiv wahrzunehmen, und sie werden offenbar auch vom Rest der Gesellschaft nicht mehr als solches wahrgenommen. Die Klasse verschwand in den Nebeln der "postindustriellen Gesellschaft", sie wurde nationalistisch, sozialdemokratisch und bürgerlich, jedenfalls in den alten europäischen Industrieländern. In den Vereinigten Staaten verließ sie die Industrieruinen von Pittsburgh oder Detroit und sank, langsam, aber stetig, dem "White Trash", dem modernen Lumpenproletariat, entgegen. Den Patriotismus gab sie deswegen nicht auf, im Gegenteil.

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