Dem Geheimnis auf der Spur:Der Tod des Brandon Lee

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Posthumer Durchbruch: Brandon Lee wurde mit "The Crow" bekannt - nach seinem Tod. (Foto: Everett Collection / IBL Bildbyrå/IBL Bildbyrå,Miramax)

Erinnert an den Fall Alec Baldwin: Schlamperei am Set von "The Crow" soll 1993 zum tragischen Schuss auf den jungen US-Schauspieler und Sohn von Bruce Lee geführt haben.

Von Sophie Schroeder

Schauspieler müssen im Filmgeschäft auf dem Weg nach oben oft alles geben, um erfolgreich zu sein. Große Filme verlangen zuweilen spektakuläre Stunts, die natürlich auch Risiken mit sich bringen. Wie es scheint, gehören leider nicht nur Unfallgefahren am Set zum Berufsrisiko, sondern es können auch ganz große Tragödien geschehen. So erinnert der neueste Vorfall, in den der Hollywood-Star Alec Baldwin verwickelt ist, an den mysteriösen Tod von Brandon Lee vor 28 Jahren.

Es hätte sein Durchbruch werden sollen, doch Brandon Lee erlebte den Erfolg seines Films "The Crow - Die Krähe" nicht mehr. Am 31. März 1993 wurde der 28-Jährige während der Dreharbeiten von einer echten Kugel aus einer falsch präparierten Waffe getroffen. Gedreht wurde ausgerechnet die Todesszene der Figur, in der Eric Draven (Brandon Lee) vom Bösewicht "Funboy" (Michael Massee) erschossen wird. Vor dieser Szene wurde eine Nahaufnahme der Schusswaffe gebraucht, die mit einer echten Patrone bestückt und abgeschossen wurde. Dabei verfing sich offenbar ein Patronenbruchstück unbemerkt im Lauf der Waffe. Als der "Funboy" Michael Massee dann beim Dreh der Todesszene mit Platzpatronen auf Lee schoss, wurde das Fragment durch den ausgelösten Druck in Richtung Lee geschleudert. Es traf den Schauspieler, der weder eine Rüstung noch eine kugelsichere Weste trug, aus kurzer Distanz im Bauch. Dabei wurde die Hauptschlagader verletzt. Brandon Lee starb wenige Stunden später im Krankenhaus.

In einer mehrseitigen Beschwerde skizzierten die Anwälte von Brandons Mutter Linda Lee Cadwell eine Abfolge von Ereignissen, die zeigen sollten, dass das Filmteam seiner Verantwortung nicht ordnungsgemäß nachgekommen war oder man die Standards für den Einsatz von Schusswaffen am Filmset nicht eingehalten hatte. So sollen die Teammitglieder nicht über eine angemessene Ausbildung, die richtige Ausrüstung und den erforderlichen Waffenschein verfügt haben. Darüber hinaus soll es, so die Beschwerde, ein Verstoß gegen die Vorschriften gewesen sein, scharfe Munition am Set zu verwenden. Normalerweise gibt es bei Proben keine echte Waffe. Die wird nämlich weggeschlossen, bis man sie benötigt. Bei "The Crow" wurde aber, sei es aus Zeitmangel oder aus Müdigkeit durch die schwierigen Arbeitsbedingungen, mit der scharfen Waffe geprobt. Hier unterlief dem Requisiteur Daniel Kuttner ein Fehler, den er sich wohl nie verziehen hat. Er versäumte es, den Lauf zu überprüfen.

Für "The Crow" wurde Lee digital wiederbelebt

Überhaupt lag über der Produktion dieses Films ein Schatten. Das fing schon an bei der Vorlage des amerikanischen Kult-Comics "The Crow" von James O'Barr. Der zeichnete die Geschichte, nachdem seine Freundin bei einem Unfall gestorben war. Dann gab es auf dem Set bereits vor dem tödlichen Schuss auf Brandon Lee mehrere Missgeschicke: Ein Kulissenbauer lief in ein Stromkabel, weshalb ein Wagen mit Equipment in Flammen aufging. Außerdem verwüstete ein Schneesturm die Kulissen. Und, böses Omen, Brandons berühmter Vater Bruce Lee war bei der Produktion für "Der Mann mit der Todeskralle" 1973 vor der Kamera in Ohnmacht gefallen und wenig später im Krankenhaus an den Folgen einer Hirnschwellung gestorben, ausgelöst durch eine allergische Reaktion auf eine Kopfschmerztablette.

Früh eiferte Brandon Lee seinem berühmten Vater nach, er wollte ebenfalls Schauspieler werden. Es war sein Ziel, auch anspruchsvollere Rollen zu übernehmen und so aus dem übergroßen Schatten seines Vaters herauszutreten. Ausgerechnet mit "The Crow" wollte er dem Actionmilieu von Filmen wie "Rapid Fire" oder "Showdown in Little Tokyo" entkommen.

Ein plötzlicher Darstellertod hat bisher kaum eine Produktionsfirma davon abgehalten, das schon gedrehte Filmmaterial doch noch zu verwerten. Regisseure und Produzenten müssen dann geschickt vorgehen, um das Projekt zu beenden. So wurde mithilfe des damals revolutionären CGI-Verfahrens und aufwendiger Computerbearbeitung Brandon Lee in 52 Szenen nachträglich "wiederbelebt". Sein Abbild wurde über das eines Doubles gelegt, mit dem die noch fehlenden Szenen gedreht worden waren. Bereits vorhandene Aufnahmen wurden digital in eine veränderte Umgebung integriert. So konnte "The Crow" vollendet werden, dabei wurde das Budget um acht Millionen Dollar überschritten.

Der Staatsanwalt in Wilmington, North Carolina, verzichtete nach den umfassenden Ermittlungen darauf, eine Anklage gegen die Produktionsfirma zu erheben, da es sich offensichtlich um einen Unfall gehandelt hatte. Die Zivilklage von Lees Mutter gegen die zuständigen Carolco-Studios wurde außergerichtlich beigelegt. In einem Interview erzählte Michael Massee, dass er immer wieder von dem tragischen Ereignis träume und nie ganz darüber hinwegkommen werde. Nach dem Unfall zog er sich ein Jahr aus dem Filmgeschäft zurück und starb 2016 mit 64 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

Über Brandon Lees Unfalltod ist viel publiziert worden, aber er wurde auch werbemäßig missbraucht. Oft zog man die Parallele zum frühen Tod seines Vaters oder es wurde gar an Verschwörungsmythen gestrickt. Die banale Wahrheit bleibt weiterhin, dass es sich wohl um menschliches Versagen und eine Summierung von Fehlern handelte. Die Entscheidung, den Film trotzdem zu beenden, erwies sich als Glücksgriff. Brandon Lee wurde zum Inbegriff für die Krähe und deren Kampf gegen das Böse. So geschah im Nachhinein der ersehnte Durchbruch. "The Crow" ist dem Andenken Brandon Lees und seiner damaligen Verlobten, Eliza Hutton, gewidmet.

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