Documenta:"So offenen Antisemitismus auf deutschem Boden, das hätte ich mir vor 2022 nicht vorstellen können"

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In der Broschüre der Initiative "Archives des luttes des femmes en Algérie" fanden sich weitere antisemitische Motive. (Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert indirekt ein vorzeitiges Ende der Kunstschau.

Von Annette Zoch

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat nach dem Fund weiterer antisemitischer Bilder auf der Documenta erneut scharfe Kritik geübt: "So offenen Antisemitismus auf deutschem Boden, das hätte ich mir 2022 nicht vorstellen können", sagte Schuster am Donnerstag bei der Verleihung des Janusz-Korczak-Preises für Menschlichkeit in München. Schuster erinnerte in seiner Rede an das Plakat des Künstlerkollektivs Taring Padi, "auf dem Juden in übelster Streicher-Manier als widerliche Ausbeuter gezeigt wurden". Taring Padi habe dies als Protest gegen die Kolonialisierung Indonesiens durch die Holländer bezeichnet, Schuster verwies nun auf Berichte, wonach in Indonesien heute insgesamt nur etwa 200 Juden leben. "Wir wussten schon immer, dass man keinen einzigen Juden zu kennen braucht, um Antisemit zu sein", so Schuster.

Wie sich in dieser Woche zeigte, führte aber auch die Demontage des Kunstwerks und die spätere Entlassung der Generaldirektorin Sabine Schormann nicht dazu, dass der Aufruhr um antisemitische Tendenzen auf der Documenta abebbt: Der seit einer Woche amtierende Interims-Geschäftsführer Alexander Farenholtz musste nun zu neuen Vorwürfen Stellung nehmen, am Mittwoch waren weitere problematische Werke aufgetaucht: In einem Heft mit historischen algerischen Karikaturen fanden sich etwa Bilder von roboterartigen Soldaten oder solchen mit Hakennasen, jeweils mit Davidsternen auf den Helmen. Andere deuten Vergewaltigungen von Arabern durch Juden an. Farenholtz wies die Vorwürfe zurück: Das fragliche historische Archivmaterial sei vor rund drei Wochen vorübergehend aus der Ausstellung genommen worden, um es eingehender zu betrachten. "Nach der Untersuchung gibt es zwar eine klare Bezugnahme auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, aber keine Bebilderung von Juden ,als solchen'", hieß es in einer Stellungnahme. Das Werk sei als strafrechtlich nicht relevant eingestuft worden.

"Diese Documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen."

Dennoch fordern nun die Gesellschafter der Documenta, das Land Hessen und die Stadt Kassel, die diskutierten Zeichnungen "bis zu einer angemessenen Kontextualisierung" aus der Ausstellung zu nehmen. "Der Umgang mit den Zeichnungen zeigt, wie dringend notwendig die externe Expertise bei der Analyse von Werken auf antisemitische (Bild-)Sprache ist", teilten sie am Donnerstag mit. Unterstützt werden sie dabei von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. "Es ist gut und richtig, dass die Gesellschafter der Documenta die künstlerische Leitung jetzt aufgefordert haben, diese Zeichnungen aus der Ausstellung zu nehmen", sagte die Grünen-Politikerin. Die FDP forderte gar einen vorläufigen Stopp der Kunstschau. "Die neuerlichen Antisemitismus-Vorwürfe offenbaren einen Abgrund. Die Documenta muss sofort unterbrochen werden", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

In einer ähnlichen Richtung äußerte sich am Donnerstag auch noch einmal Zentralratspräsident Schuster in einer Pressemitteilung: "Dass diese Documenta wirklich bis zum 25. September laufen kann, erscheint kaum mehr vorstellbar", schrieb er. Obwohl das Land seit Wochen über Antisemitismus, die anti-israelische Boykottbewegung BDS und Israelhass diskutiere, tue die Leitung der Documenta so, als ginge sie das nichts an, offensichtlich sei es auch unerheblich, wer dort die Geschäftsführung innehat, so Schuster. "Diese Documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen."

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