Rassismus-Debatte:"Selznick wusste, dass Afroamerikaner Bedenken hatten"

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Vivien Leigh als Scarlett O'Hara und Clark Gable als Rhett Butler in einer Szene des Films "Vom Winde verweht" (1953). (Foto: dpa)

HBO Max nimmt den Film "Vom Winde verweht" wieder ins Programm - jetzt aber mit dem Vorspann einer afroamerikanischen Filmwissenschaftlerin.

Von Jürgen Schmieder

"Vom Winde verweht" ist wieder zu sehen. Das ist durchaus eine Nachricht, nach dem das Streamingportal HBO Max ihn zwischenzeitlich von seiner Plattform entfernt hatte. Aufgrund der Unruhen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd hatte der Drehbuchautor John Ridley ("12 Years a Slave") in einem Gastbeitrag für die Los Angeles Times gefordert, das bis heute beliebte Mammutwerk (acht Oscars) nicht mehr zu zeigen. Was ist nun anders? Vor den Film ist ein knapp fünfminütiger Clip geschaltet, in dem die afroamerikanische Filmwissenschaftlerin Jacqueline Stewart ihn historisch einordnet.

"Die Entstehung des Films war beinahe so dramatisch wie seine Handlung", sagt Stewart darin und erklärt weiter, dass sich Produzent David O. Selznick der Problematik des Rassismus wohl bewusst gewesen sei: "Es hatte wiederholt Proteste gegeben, die bereits bei der Ankündigung der Dreharbeiten begonnen hatten. Selznick wusste, dass Afroamerikaner Bedenken hatten, wie der Film mit Sklaverei und der Darstellung schwarzer Charaktere umgehen würde." Selznick habe versichert, sensibel mit dem Thema umgehen zu wollen, aber: "Er zeigt den Süden vor dem Bürgerkrieg dennoch als anmutigen Ort und geht nicht auf die Brutalität ein, auf der das System, Menschen als Eigentum zu betrachten, nun mal basierte."

Man lernt tatsächlich etwas in diesem Clip, und man sieht "Vom Winde verweht" danach mit einem anderen Blick. Kunst hat die Kraft, die Emotionen der Zuschauer zu lenken - US-Präsident Richard Nixon etwa erhöhte die Truppenstärke in Vietnam, nachdem er den Kriegsfilm "Patton" wiederholt gesehen hatte. Man darf sich also nicht wundern, dass vielerorts in den Vereinigten Staaten noch immer die Konföderiertenflagge geschwenkt wird, wenn die Südstaaten als gelobtes Land gezeigt werden und Figuren wie Mammy (Darstellerin Hattie McDaniel bekam dafür den Oscar, musste bei der Verleihung indes in der Ecke sitzen) als Leute, die zufrieden sind mit ihrem Leben als Sklaven.

HBO hat sich entschieden, den Film mit dieser Einordnung im Programm zu belassen. Auch das Streamingportal Disney Plus hat Werke wie "Dumbo", "The Aristocats", "Lady and the Tramp" und "Jungle Book" mit Hinweisen versehen, dass sie "veraltete kulturelle Sichtweisen" enthielten. Es sind fantastische Filme, und wenn man sie mit Einordnungen oder Warnhinweisen betrachtet, kann man bis heute etwas lernen.

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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