Rassismus-Debatte in Film und Fernsehen:Der saubere Bildschirm

Symbolfoto: Das Logo des Streaming Dienstes Netflix ist auf einem Fernseher zu sehen. Berlin, 21.02.2020. Berlin Deutsch

Margaret Mitchells "Vom Winde verweht" ist ein rassistisches Buch, das zu einem rassistischen Film wurde. (Fotomanipulation.)

(Foto: Thomas Trutschel/imago; UnitedArchives/imago images; Collage Jessy Asmus)

Dass rassistische Werke wie "Vom Winde verweht" aus der Öffentlichkeit verbannt werden, ist verständlich. Aber es hilft wenig, wenn die gezeigten Gedanken sich in einer Gesellschaft so hartnäckig halten.

Kommentar von Sonja Zekri

Der amerikanische Streamingdienst HBO Max nimmt den Südstaaten-Schmachtfetzen "Vom Winde verweht" vorerst aus dem Programm. Der Film soll künftig von Hinweisen begleitet werden, dass es sich mit der Sklaverei doch anders zugetragen hat als im Film 1939 dargestellt: weniger glückliches Miteinander fürsorglicher Weißer und dankbarer, etwas zurückgebliebener Sklaven ("Ich sein Vorarbeiter auf Tara, ich sagen, wann Feierabend!") und mehr Verschleppung, Verstümmelung, Ausbeutung.

Auch Großbritanniens BBC macht Hausputz. Aus der bahnbrechend komischen Serie Fawlty Towers ist die Episode "The Germans" nicht länger online abrufbar, weil Major Gowen, ein Stammgast im Hotel, über ein Cricket-Team rassistische Witze macht. Auch die Comedy-Serie "Little Britain" entfernte die BBC aus ihrer Mediathek, weil weiße Darsteller als Asiaten oder Schwarze auftraten. Der Streaming-Dienst Netflix hat die BBC-Produktionen The Mighty Boosh und The League of Gentlemen aus dem Programm genommen, weil darin "blackfacing" vorkommt, weil sich Figuren schwarz anmalen.

Und es hätte der Meldung nicht bedurft, dass die amerikanische Country-Band Lady Antebellum ihren Namen in Lady A. ändert, also eine Anspielung auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg, die Sklaverei, entfernt, um zu erkennen: Da tut sich was. Nur: Was?

Nach der HBO-Geste schnellte vom "Vom Winde verweht" bei Amazon nach oben

Dass Margaret Mitchells "Vom Winde verweht" ein rassistisches Buch ist, das zu einem rassistischen Film wurde, der auf ein rassistisches Publikum traf, ist nicht erst klar, seit Hattie McDaniel bei der Verleihung des ersten Oscars an eine schwarze Schauspielerin an einem Sondertisch sitzen musste. Diese Tatsache konnte nicht einmal die skrupulöse Neuübersetzung von Andreas Nohl und Liat Himmelheber tilgen (Kunstmann-Verlag). Es bleibt die Stilisierung eines Jahrhundertverbrechens zu einer Art Kollektivadoption. Nur ist "Vom Winde verweht" nach wie vor der inflationsbereinigt erfolgreichste Film aller Zeiten, und nach HBOs spektakulärer Geste schnellten die Verkäufe auf Amazon in die Höhe. Was die einen unerträglich finden, scheinen die anderen zu genießen.

Filmhistorisch hat ohnehin weniges für das - liberale - weiße Publikum einen so hohen Feelgood-Faktor wie Filme über harmonische Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß. Während von New York bis Los Angeles die Vorstädte brennen, streamt das weiße Amerika das Sechzigerjahre-Südstaaten-Drama "The Help" aus dem Jahr 2011: Sympathische junge Weiße sind voller Verständnis für die Nöte der Schwarzen. Ähnlich beruhigend wirkt "Green Book" mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali aus dem Jahr 2018: Italienischstämmiger Chauffeur ist ein übler Rassist, haut aber schwulen schwarzen Konzertpianisten raus.

Die amerikanische Filmindustrie und ihre Budgets, ihr Casting, ihre Auszeichnungen sind nach wie vor eine Veranstaltung von Weißen. Und dass diese es gerade zeitgemäß finden, ein paar Schönheitsfehler zu tilgen, um die schlimmsten Vorwürfe zu entkräften, macht das nur noch deutlicher. Schwarze Blockbuster wie "Black Panther" und Independent-Triumphe wie "Get out" mögen bejubelt werden, eine Trendwende sind sie nicht.

Kein Mensch kann wollen, dass rassistische Machwerke heimlich weitergereicht werden

Für Deutschland sind das alles gute Nachrichten. Von hier aus lässt sich voller Abscheu oder Mitgefühl verfolgen, welche Spannungen sich anderswo zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Herkunft entladen. Nicht-Weiße sind zwar in Deutschland in Film und Fernsehen bis auf wenige Ausnahmen meist muslimische Terroristen, geknechtete Kopftuch-Frauen oder dekoratives Beiwerk. Aber alles scheint friedlicher zu sein hierzulande, man könnte auch sagen: harmonischer. Und "Der Tiger von Eschnapur" wird auch nur noch selten gezeigt.

Nur hilft es wenig, Filme aus der Öffentlichkeit zu verbannen, wenn die gezeigten Gedanken oder manchmal auch nur: die Gedankenlosigkeit sich in einer Gesellschaft so hartnäckig halten. Und kein Mensch kann wollen, dass rassistische Machwerke heimlich weitergereicht werden, als Raritäten, als Kostbarkeiten für Kenner. Während alle anderen zufrieden auf den sauberen Bildschirm schauen - und alles so bleibt, wie es ist.

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