Netzkolumne:Wie man Konten und Meinungen auf Twitter blockiert

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Wenn der Chef die Nutzer zwingt, seine Tweets zu lesen: Elon Musk. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Elon Musk raus aus der Timeline: Apps helfen, unliebsame Konten und Meinungen aus dem eigenen Twitter-Feed auszuschließen. Aber was bedeutet das für den Diskurs?

Von Michael Moorstedt

Es gibt sehr viele Dinge, die Elon Musk in seiner immer noch sehr kurzen Amtszeit als Twitter-Besitzer und -Chef bereits falsch gemacht hat. Ein weiteres Highlight wurde Anfang vergangener Woche öffentlich. Da tauchten Musks Nachrichten auf einmal in den Feeds von Twitter-Nutzern auf, die ihn nicht abonniert hatten, in manchen Fällen ging das Phänomen so weit, dass fast ausschließlich die Tweets des Eigentümers zu sehen waren.

Wie sich herausstellte, hatte sich der Eigentümer geärgert, dass seine Botschaften nicht mehr Publikum finden. Als Reaktion wies er seine Programmierer an, die Filteralgorithmen so zu verändern, dass er nun auf den Bildschirmen von so vielen Nutzern wie möglich auftaucht. Peinlich? Auf jeden Fall, aber man kann Musks Kapriolen auch zum Anlass nehmen, über Sichtbarkeit und die Praxis der sozialen Medien im Allgemeinen nachzudenken.

Natürlich steht außer Frage, dass der Blockieren-Knopf ein wichtiges Instrument ist, das es Frauen oder gefährdeten Personengruppen ermöglicht, auf Social-Media-Plattformen ein halbwegs ziviles Dasein zu erleben, ohne ständig belästigt zu werden. Inzwischen gibt es Apps und Websites wie Block Party, die das Ausblenden unliebsamer Meinungen oder Personen automatisieren. So werden beispielsweise sämtliche Profile blockiert, die einen vermeintlichen Post liken oder retweeten. Was Gegenstand des Anstoßes ist, entscheidet der Nutzer: Geht es um mehr oder weniger justiziable Botschaften oder einfach nur um unliebsame Meinungen?

Die Blockier-Bots sind das Ende jeder Debatte

Wenn man davon ausgeht, dass jede Interaktion im Netz das logische Fortschreiben einer Offline-Handlung ist, lohnt es sich darüber zu grübeln, was eigentlich das analoge Äquivalent zu so einer Stummschaltung auf Social-Media-Plattformen darstellt. Sicherlich nicht die öffentliche Konfrontation, der gesellschaftliche Affront. Denn die Blockade wird ja nicht nach außen kommuniziert. Man kann also jemanden doof finden, gerne auch über Jahre hinweg, ohne dass der andere das überhaupt merkt.

Der Block umfasst also mehr. Führt das nicht unter Umständen auch dazu, dass man es sich zu leicht machen könnte? Dass man unliebsame Meinungen ausblendet, selbst das "Ja, aber" eines zivilisierten Gesprächspartners als womöglich blockierenswerte Einlassung auffasst? Längst unterhalten die jeweiligen Weltanschauungslager eigene ellenlange Listen, durch deren Nutzung man präemptiv die Anhänger der Gegenseite aus seinen Social-Media-Feeds entfernen kann. Wer sich auf diesen Listen, die oft Zehntausende Nutzerkonten umfassen, wiederfindet, ist dabei nicht mehr nachzuvollziehen.

Die Funktion sei eine "unperfekte Lösung für ein allgegenwärtiges Problem", schreibt deshalb auch Jillian York, die Direktorin der Digital-Bürgerbewegung Electronic Frontier Foundation. Sie frage sich, "ob unser großzügiger Gebrauch des Blockierknopfes uns daran hindert, die Art von Versöhnung zu erleben, die in unseren Offline-Gemeinschaften stattfinden kann".

Und was ist mit Elon Musk? Der hat sich für seinen Egotrip reichlich Gegenwind eingefangen. Zeitweilig trendete der Hashtag #BlockElon. Das passt gut zu einer Kampagne namens "Block the Blue", die schon seit einiger Zeit läuft und deren Blockliste alle Nutzer umfasst, die für die neue Version von Twitters Verifizierungsservice acht US-Dollar im Monat bezahlen. Wer sich von dem käuflichen blauen Haken mehr Sichtbarkeit erhofft, wird einfach blockiert.

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