TV-Kritik: Illner intensiv:Die Königin der Halbsätze

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Parteiencheck im Stakkato: Maybrit Illner testet im ZDF die Grünen. Es ging um Scotty, Joints und gelegentlich Politik. Eine kleine Nachtkritik.

Wolfgang Luef

"Wir können an dieser Stelle etwas vermelden", sagt Maybrit Illner am Ende ihrer Sendung. Sie lächelt den Satz selbstbewusst in die Kamera, während ihr Gesprächspartner gerade noch mitten in seiner letzten Antwort steckt. "Diese Sendung heißt 'intensiv' und ist es auch", vermeldet die ZDF-Moderatorin anschließend.

Maybrit Illner stellt in "Illner intensiv" immer dienstags 22:45 Uhr die im Bundestag vertretenen Parteien vor. Den Anfang machten in dieser Woche die Grünen. (Foto: Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Das bedeutet nicht, dass nun doch noch etwas Intensives folgt. Illner meint damit, dass die Sendung jetzt vorbei ist. Intensiv, das heißt für das ZDF anscheinend vor allem: kurz und knapp.

Die Sendung "Illner intensiv" dauert 30 Minuten und hat sich selbst die Aufgabe gestellt, eine Partei "auf Herz und Nieren" zu checken, sie "auf den Prüfstand" zu stellen und ihre "Glaubwürdigkeit zu prüfen" - in der ersten von fünf Sendungen sollten am Dienstagabend die Grünen seziert werden.

Das alleine wäre mit drei Studiogästen schon schwierig genug. Doch das ZDF macht aus dem hochgesteckten ein unerreichbares Ziel: Man zerstückelt das Format mit Klamauk, Show-Elementen und Videozuspielungen und macht jede politische Debatte schon im Ansatz unmöglich. "Das wird Infotainment", mögen sich die Sendungsmacher bei der Planung gedacht haben. "Mir wird schlecht", hat ein User im ZDF-Chatroom zur Sendung während der Ausstrahlung in die Tasten getippt.

Es erschienen vor dem hohen Gericht der Anstalt Spitzenkandidat Jürgen Trittin, die Jungpolitikerin und "Energie-Expertin" Ingrid Nestler und, als "prominenter Unterstützer" der Partei, der Schauspieler Volker Brandt. Nachdem die drei Gäste wie Quiz-Kandidaten einer Millionenshow vorgestellt worden sind, folgt ein Video, das die Grünen mal so richtig veräppeln soll: "Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs B-90-Grün." Das Ding fliegt in dem Film ein wenig durch die Galaxien und kollidiert dabei fast mit einem ähnlich aussehenden SPD-Schiff.

Im Transporterraum steht Joschka Fischer und lässt sich zur Nabucco-Pipeline teleportieren: "Beam' mich zur Lobby, Scotty!" Insgesamt, lässt die Stimme aus dem Off wissen, sei das Raumschiff B-90-Grün "gefangen im intergalaktischen Stau über dem Öko-Planeten" - was immer das heißen soll.

Nach dieser Darbietung ist das Publikum gut eingestimmt auf den Rest der Sendung. Warum eigentlich noch grün wählen, wo der Öko-Gedanke doch längst von allen Parteien vor sich her getragen werde, möchte die Moderatorin vom Schauspieler Brandt wissen. Der bleibt kryptisch: "Das Grün ist für mich ein reines Grün. Ich kann diese ganze Mischerei und Kompromisslerei nicht so richtig ab." Die beiden anderen Studiogäste lächeln verlegen, als hätten sie gerade ein schönes Kompliment bekommen.

Brandt, so scheint es, ist hier eher als Pausenclown vorgesehen. Er muss im Lauf der Sendung ein Quiz mit Fragen zu "pikanten Details der Grünen" spielen, in dem er gefragt wird, wofür wohl das Akronym WUMS steht. Er erkennt darin nicht das Parteiprogramm der Grünen, sondern tippt auf Antwort C, ein Gemälde von Roy Lichtenstein. (Außerdem in der Auswahl: Der Kinnhaken von Joschka Fischer)

Auch den Diskjockey-Namen von Jürgen Trittin kann er nicht auf Anhieb nennen ("DJ Dosenpfand"). Bei der dritten Frage hat Brandt den Sinn des Spiels zweifelsfrei erkannt: Wo kann man einem Zitat Jürgen Trittins zufolge "grüne Inhalte in einem Joint rauchen"? Richtig wäre gewesen: in Jamaika. Brandt entscheidet sich zielsicher: "Joint rauchen? Bestimmt in seinem Büro." Die Lacher des Publikums sind ihm sicher.

Mit Publikumsreaktionen kann sich Maybrit Illner an diesem Abend aber kaum aufhalten. Wann immer eine Wortmeldung Szenenapplaus erhält, kneift sie bloß die Augen ein wenig zusammen, spricht ansonsten aber unbeirrt weiter. Neben den Witz-Einlagen hat sie schließlich noch ein dichtes, und irgendwie auch politisches Programm zu absolvieren.

Die meiste Zeit über spricht sie mit Jürgen Trittin. Jungpolitikerin Nestler bekommt nur dreimal eine Frage ab. Zunächst gilt es, den enttäuschten Grün-Wähler aus dem Publikum zu Wort kommen zu lassen, und dann waren da ja noch die Fragen, die auf Youtube hochgeladen werden konnten: Zuschauerbeteiligung à la Web 2.0.

"Bitte um Relativsätze und Halbsätze"

Doch nur für eine einzige dieser Videobotschaften bleibt Zeit: Adrian Brückner aus Aschaffenburg möchte wissen, was eigentlich dieser New Green Deal sei, von dem Trittin dauernd spreche. Der antwortet darauf erst gar nicht: Eine kleine Nachbemerkung zur vorher kurz abgehandelten Frage bezüglich der Mitarbeiter von Karstadt und Quelle ist ihm wichtiger. Illner lässt es ihm durchgehen.

Schließlich muss Trittin ja gleich danach in einer Art Word Rap bestehen: stakkatoartig vorgetragene Fragen, auf die er ebenso "kurz und knapp" antworten soll. Die Moderatorin schießt los: Steuererhöhungen, Anpassung der Sozialleistungen, Haushaltsdefizit, Bankenrettungsschirm. Kaum drei Minuten, und all das ist abgehandelt. "Bitte um Relativsätze oder Halbsätze", sagt die Moderatorin streng. Trittin gibt sich Mühe.

Es folgen: Mehrwertsteuer, Ökosteuer, Hartz IV, das Rentenalter, die politische Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher. "Sie müssen sich kürzer halten", maßregelt Gastgeberin Illner und fragt den Politiker nach der Zukunft der deutschen Truppen in Afghanistan. Er schafft die Antwort wieder nicht in nur einem Halbsatz. Ein paar Sekunden später ist die Befragung auch schon zu Ende.

Trittin schaut etwas ratlos. Und Maybrit Illner sagt: "Das also in aller Kürze!"

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