Das wird immer eine meiner süßesten Erinnerungen bleiben: diesen Brief zu erhalten, verfasst in perfektem Englisch, auf gelbem Papier.
Das war im Jahr 1985. Ein Jahr zuvor wurde ich beauftragt, für die türkische Tageszeitung Cumhuriyet über Schweden, Finnland und später auch über die baltischen Staaten zu berichten. Es war eine große Ehre für einen jungen Journalisten, der gerade erst die Journalistenschule in Stockholm absolviert hatte.
Yavuz Baydar ist kein Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, sondern ein türkischer Gastautor. Er wurde 1956 geboren und ist Journalist, Blogger und Mitgründer von P 24, einer unabhängigen Medienplattform in Istanbul. Für seine Arbeit wurde er 2014 mit dem European Press Prize ausgezeichnet. Er hält sich derzeit außerhalb der Türkei auf. Für die SZ schreibt regelmäßig Gastbeiträge.
Es gab so viel zu berichten, vor allem aus dem Bereich Kultur. Aber ich hatte größere Pläne. Die Kulturseite der Cumhuriyet war zwar anerkannt, die Musikberichterstattung darauf war aber absolut konservativ, nur auf klassische Musik beschränkt. Ganz klar: der Herausgeber, Nadir Naid, war ein Amateurgeiger, "unheilbar besessen" von Mozart und Beethoven. Mir war allerdings klar, dass ich mehr als genug über Rock, Pop und, insbesondere, über Jazz, meine unheilbare Liebe, wusste.
Ich einigte mich mit meinem Redakteur und konnte auch die anderen Redakteure davon überzeugen, dass Jazz, Rock und Tango einen festen Patz auf den Kulturseiten erhalten müssten. Das war, das können Sie mir glauben, eine Revolution.
Ich zögerte keine Sekunde, einen meiner Helden, Nesuhi Ertegün, um Unterstützung zu bitten - ich rechnete allerdings nicht mit einer Antwort. Nesuhi Bey oder "Herr Nesuhi", wie er genannt wurde, war der ältere Bruder einer weiteren Legende, Ahmet Ertegün. Nesuhi Bey war der Kopf von WEA International Records, er erschien damals unerreichbar für mich.
Sie können sich vielleicht denken, wie verwundert und glücklich ich war, als dann dieser gelbe Brief in meinem Postkasten landete. Höflich und warm wünschte man mir darin viel Glück, und Bey ergänzte noch, dass er den europäischen Ablegern von WEA die Anweisung gegeben habe, mich mit Material zu versorgen, und dass ich tatsächlich gute Chancen habe, Interviews mit all jenen unter ihren unglaublich vielen Klienten führen zu können, die mich interessierten.
Ich war im siebten Himmel! Ich werde Nesuhi Bey immer dankbar sein für die Texte, die ich danach für die Cumhuriyet schreiben konnte, ihm, den jeder wichtige Jazzmusiker in den USA mit dem Segenswunsch "May God bless his soul" in Erinnerung behielt.