Tom Hanks über sein Image:"Ich war ein Killer"

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Er hat schon zwei Oscars gewonnen, doch noch immer glauben alle Leute, dass Tom Hanks nur nette Kerle spielt. Dabei mimte er sogar schon einen Bösewicht für die düsteren Coen-Brüder. Ein Interview über die Finanzkrise, das Bloggen, Casablanca und seinen neuen Film "Larry Crowne".

Susan Vahabzadeh

Das auffälligste am lebensechten Tom Hanks ist, dass er wesentlich quirliger ist als die meisten seiner Filmfiguren, immer in Bewegung - und als es im Hotelzimmer nebenan zu laut wird, hechtet er sofort über die Sofalehne und hämmert an die Wand. Vielleicht muss er so sein, denn Hanks, einer der wenigen Schauspieler die zwei Hauptrollen-Oscars ihr Eigen nennen, ist schwer beschäftigt - so beschäftigt, das zwischen seinem Regiedebüt "That Thing You Do" und seiner zweiten Regiearbeit "Larry Crowne" fünfzehn Jahre liegen (Kinostart nächsten Donnerstag). Larry Crowne spielt er selbst, einen nicht mehr ganz jungen geschiedenen Mann, der seinen Job im Supermarkt verliert, und weil er keinen neuen Job findet, geht er aufs College und beginnt ein neues Leben, und verliebt sich in seine Lehrerin, gespielt von Julia Roberts. Das Drehbuch hat Hanks mit Nia Vardalos geschrieben, von der "My Big Fat Greek Wedding" stammt, produziert von Tom Hanks. Demnächst steht dann Tom Tykwers Verfilmung des Romans "Der Wolkenatlas" auf dem Programm: "Ich habe mich heute morgen mit Tom Tykwer getroffen", sagt Hanks. "Das wird ein teurer Film, und ich hoffe, alles klappt, denn sowas habe ich noch nie gesehen. Als ich 'Lola rennt' sah, war ich hin und weg."

Gefeuert werden. Das Haus verlieren. Das Beste, was mir je passierte. Sagt Tom Hanks als Larry Crowne. (Foto: Bruce Talamon)

SZ: Is t "Larry Crowne" Ihr Kommentar zur Finanz- und Wirtschaftskrise?

Tom Hanks: Er soll zumindest eine beispielhafte Figur sein - er ist in einer schwierigen Situation und stellt sich dem Zynismus entgegen. Es ist schwer, zu hoffen und optimistisch zu sein, wenn man seinen Job verliert und die Bank auf der Rückzahlung der Hypothek fürs Haus besteht, dabei hätte auch ein Film über einen Mann herauskommen können, der als Geste des Protests sein Haus in die Luft jagt. Aber Larry gibt nicht auf.

SZ: Larry weigert sich, eine Depression zu entwickeln, weil er in eine kleine Wohnung ziehen muss.

Hanks: Der Film könnte sehr viel Aussagen machen über den amerikanischen Traum. Aber ich denke, der amerikanische Traum handelt nicht von Besitztümern, sondern von der Fähigkeit, sich in eine neue Richtung zu bewegen.

SZ: Auch eine anachronistische Sichtweise ... Stimmt es, dass die Figur, die Sie sich da auf den Leib geschrieben haben, Ihnen schon seit Jahren im Kopf herumspukte und Sie dafür auf Ihre eigene College-Zeit zurückgegriffen haben?

Hanks: Ich bin aufs Community College gegangen, genau wie Larry. Ich war siebzehn, und für was anderes hatte ich weder die Noten noch das Geld. Die Registrierung kostete nur zehn Dollar. Ich war auf einem Zehn-Dollar-College! Jedenfalls erinnere ich mich an viele ältere Leute, die damals auf dieses College gingen, Mütter, deren Kinder aus dem Haus waren, Leute, die sich gerade hatten scheiden lassen, ehemalige Soldaten, die in Vietnam waren - die kamen mir wahnsinnig alt vor und waren gerade mal 27 Jahre alt. Aber der erste Tag im College macht jeden nervös, egal, wie alt man ist. Und daran kann ich mich gut erinnern.

SZ: Aber Larry Crowne haben Sie sich erst später ausgedacht.

Hanks: Vor etwa sechs Jahren - was völlig normal ist, besonders, wenn ich der Regisseur bin. Der Luxus mit dieser Produktionsfirma und den Leuten, die dort arbeiten, das ist, dass man sich zusammensetzt. Man sagt: Was wenn ich im Film meinen Job verliere und wieder aufs College gehe, und Julia Roberts ist meine Dozentin? Das ist die Ausgangssituation, und dann fragt man weiter: Was für ein College, und warum landest du da? Was sind das für Leute, die du da treffen wirst? Und dieses Konzept wird immer von der aktuellen Zeit beeinflusst. Als wir die Dinge in dieser Geschichte so ungefähr an ihrem Platz hatten, bekamen wir es mit einer bestimmten sozialen und ökonomischen Situation zu tun: Am Anfang hatte Larry zwar seinen Job verloren, aber noch keine Angst, sein Haus zu verlieren. Als wir dann, viel später, am Drehbuch schrieben, sagte Nia: Tom, Larry muss sein Haus verlieren.

SZ: Bis dahin war in den USA die Immobilienblase geplatzt, und viele Leute haben ihre Häuser verloren.

Hanks: Genau. Nia hatte recht. Ich denke, jeder Film ist im Kern ernsthaft, auch wenn der hier eine Komödie ist.

SZ: Jeder Film sollte ernsthaft sein, aber es ist ja nicht bei jedem so!

Hanks: Na gut, sie haben recht, manche Filme sind wirklich albern. Aber wenn man loslegt und aus sich rausgeht, sollte man zumindest versuchen, ernsthaft zu sein. Jeder Film sollte versuchen, akkurat zu reflektieren, wo wir stehen - romantische Komödien tun das einfach auf eine andere und vielleicht seltsame Art. Sehen wir uns an, was mit Larry passiert im Lauf des Films. Er hat seinen Job verloren, er fährt einen Scooter, weil er das Benzin für sein Auto nicht bezahlen kann, er hat einen Job, bei dem er nicht genug verdient, um sich über Wasser zu halten - und er kann zurückblicken und sagen: Das beste, was mir je passiert ist, war, dass ich gefeuert wurde. Und er braucht keine gute Fee oder Vampire oder Außerirdische. Ich glaube, wir haben eine ziemlich einzigartige Sache geleistet fürs amerikanische Kino im Jahr 2011, in dem es ansonsten vor allem wunscherfüllende Phantasterei gibt.

SZ: Dabei haben Sie eigentlich den traditionellen Hollywoodfilm gedreht - dass Filme eine eigene Art finden, die Wirklichkeit zu spiegeln, war früher ganz selbstverständlich. Im Moment muss halt alles entweder sehr viele Explosionen oder ein paar Witze unter der Gürtellinie enthalten.

Hanks: Die Studios wollen zur Zeit genau vier Arten von Filmen haben: riesige Special-Effects-Spektakel, die von allem handeln können, von Piraten bis zu Vampiren; dann gibt es noch Komödien mit einem R-Rating, einer hohen Altersfreigabe; Horrorfilme, in denen möglichst viel gefoltert wird; und Zeichentrick für die gesamte Familie. Bei den vier Arten von Film weiß man, wie man sie macht und wie man sie vermarktet, die ganze Maschinerie dafür steht bereit, diese Projekte von der ersten Idee bis zum Vertrieb durchzubringen. Aber bei einem Film wie "Larry Crowne " - da wissen sie in Hollywood ehrlich gesagt einfach nicht, was sie tun sollen. Deswegen werden solche Filme immer häufiger zu persönlichen Missionen von Leuten, die sagen, wir ziehen das jetzt durch, weil sie sicher sind, dass es da draußen ein Publikum für diese Filme gibt.

SZ: Es gibt eine ziemlich große Gruppe potentieller Zuschauer, die mit keinem der vier Filmtypen, die Sie aufgezählt haben, etwas anfangen können - die gehen gar nicht mehr ins Kino, wenn alle anderen Arten von Filmen verschwinden.

Hanks: Das Publikum, das sagte: "Lasst uns ins Kino gehen, mal sehen, was es gibt" wurde ersetzt von Leuten, die sagen: "Ich gehe nur ins Kino, wenn es da etwas gibt, was ich unbedingt sehen will." Die Leute bleiben zu Hause, weil es tolle Sachen im Fernsehen gibt, und weil sich, gerade in den USA, auch die finanzielle Situation sehr verändert hat. Aber die Leute gehen schon immer noch ins Kino.

SZ: Vielleicht würden sie das öfter tun, wenn nicht so viele Tugenden des Filmemachens in Vergessenheit geraten wären. Sie haben eine ganze Reihe von Themen angerissen, die die Welt gerade beschäftigen, nicht nur die Folgen der Finanzkrise, sondern kleine Detailfragen: Ist Blogger ein Beruf? Gibt es eine Situation, in der man doch besser sein Handy abschaltet?

Hanks: Nora Ephron, mit der ich viel über das Projekt geredet habe, sagt, das Handy hat ganz viel in der Tradition der romantischen Komödie vernichtet, weil jeder jeden immer anrufen kann, oder man macht ein Foto von etwas und die Wahrheit kommt heraus. Der Film handelt nicht von Handys, aber wir haben es berücksichtigt - Larry ist nicht die Sorte Mensch, die dauernd ins Handy tippt, und ich glaube, dass sehr viel mehr passiert, wenn Leute sich tatsächlich unterhalten. Oder das Bloggen - der Ehemann von Julias Figur sitzt halt statt zu bloggen den ganzen Tag am Computer und schaut sich Bilder von nackten Damen an. Männer machen sowas. Wir wollten einen realistischen Hintergrund, eine glaubwürdige Textur, vor der die Geschichte spielt.

SZ: Noch so eine Tugend: Auch, wenn man zwei Stars hat, muss man die Nebenfiguren liebevoll gestalten und besetzen. War Ihnen und Nia Vardalos das beim Schreiben bewusst?

Hanks: Aber ja. Wir haben uns bei jedem hingesetzt und uns ausgedacht, warum er oder sie auf dieses College geht. Da gibt es die junge Studentin, Thalia, mit der sich Larry anfreundet. Bei sowas kommt normalerweise heraus, dass sie auf ihn steht, oder sowas. Aber das wollten wir nicht. Aber die Nebenfiguren entscheiden darüber, ob ein Film wirklich interessant ist. Nehmen wir "Casablanca", das ist ein perfektes Beispiel: die ganzen Leute, die da auf ein Visum warten, der russische Barmann, der Croupier - danach muss man suchen, authentische Figuren, bei denen das Publikum sagt: So jemanden kenne ich. Ich habe so viele Mädchen und Frauen gekannt, die sind wie Thalia - man weiß nicht so recht, was sie im College machen, aber sie sind unglaublich in Mode-Fragen, man verbringt gerne Zeit mit ihnen, und eines Tages schauen sie dich an und sagen: Du brauchst eine neue Hose. Ich habe solche Mädchen getroffen.

SZ: Als Sie Ihre eigene Rolle geschrieben haben - wollten Sie da eine Figur schaffen, die Sie noch nie gespielt haben?

Hanks: Schwierige Frage. Ich lese viele Drehbücher, das ist ja klar, manche werden Filme, viele nicht - und wenn sie mich reizen, dann ist das ein sehr organischer Prozess. Ich sehe darin mehr als auf dem Papier steht, und ich will etwas machen, was ich nicht schon mal gemacht habe. Bei meinem ersten eigenen Film, "That Thing You Do", vor fünfzehn Jahren, war der homosexuelle, nicht wirklich nette Manager eine Rolle, in der mich kein anderer besetzt hätte. Aber inzwischen habe ich das Gefühl, dass mir von außen genug Herausforderungen geboten werden. Ich denke, dass der Blick von außen auf das, was man macht, sehr wichtig ist - also überlasse ich es anderen, mich herauszufordern. Vielleicht wäre ich sonst selbst beim Spielen zu faul.

SZ: Es heißt ja, es gebe typische Tom-Hanks-Rollen, man liest das immer wieder - aber eigentlich weiß ich nicht mehr, was genau das für ein Rollentypus sein soll.

Hanks: Danke, dass Sie das sagen, dann muss ich es nicht selbst sagen. Ich höre das ganz oft, dass ich immer nette Kerle spiele. Aber in "Road to Perdition" war ich ein Killer, der Leuten in den Kopf schießt.

SZ: Bei den Coen-Brüdern haben Sie auch einen Killer gespielt, in "Ladykillers".

Hanks: Ja, aber den Film hat keiner gesehen! Eine französische Journalistin hat mich das unlängst mal gefragt: Warum machen Sie nicht mal was ganz anderes, beispielsweise einen Film mit den Coens? Sage ich: Habe ich doch. Sagt sie: Wirklich, was denn? Sage ich: "Ladykillers". Sagt sie: Ach, doch nicht die Art von Coen-Film! Ich weiß nicht, warum die Leute das so sehen. Oder doch: Jeder kennt mich, ich habe nur dieses eine Gesicht und diese Stimme, und egal ob es "Illuminati" ist oder "Catch Me if You Can", es gibt irgendwie diese Grundannahme, ich würde immer die gleiche Art Mann spielen. Tut mir leid: Ich bin völlig anderer Meinung. Nicht anderer Meinung als Sie, Ihnen stimme ich völlig zu.

© SZ vom 25.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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