Senftenberg:Theater im Corona-Herbst: „Kaninchen vor der Schlange“

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Bettina Jahnke, Intendantin vom Hans Otto Theater. (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild)

Leere Säle - trotzdem kreativ: Mit neuen Ideen retten sich Brandenburgs Theater und das Staatsorchester durch den Teil-Lockdown im Herbst. Wie der Dezember für...

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Potsdam/Senftenberg/Frankfurt (Oder) (dpa/bb) - Leere Säle - trotzdem kreativ: Mit neuen Ideen retten sich Brandenburgs Theater und das Staatsorchester durch den Teil-Lockdown im Herbst. Wie der Dezember für die Häuser aussehen wird, ist noch ungewiss. Für viele wird das zu einer neuen Belastungsprobe, vor allem finanziell, wie eine dpa-Umfrage ergab. „Wir sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange und warten und hoffen und wünschen“, sagte Bettina Jahnke, Intendantin am Potsdamer Hans Otto Theater mit Blick auf die Entscheidungen der Bundesregierung über die Regeln im Dezember kommenden Mittwoch

Die Infektionszahlen zeigten jedoch, dass es nicht aussehe, so Jahnke. „Die Frage ist: Wie kann das Theater dazu beitragen, dass es den Menschen in dieser Zeit besser geht und ihnen einen Raum geben, in dem sie über etwas anders nachdenken können als Abstands - und Hygieneregeln“, sagte die Intendantin.

Am Freitag sollte an dem Haus an der Havel die Premiere des Stücks „Der Vorname“ stattfinden - im kleinen Kollegenkreis, berichtete Jahnke. Das Stück, das unter anderem die Spaltung der Gesellschaft zum Thema habe, sei hochaktuell. Parallel gingen die Proben für die nächsten Produktionen weiter, die nächsten Premieren seien für den Dezember geplant.

Auch die Neue Bühne Senftenberg blickt gespannt auf kommenden Mittwoch. „Wir hatten auf Montag gehofft. Nun müssen wir weiter abwarten“, sagt Sprecherin Christiane Freitag. Auch, wenn es schlecht aussehe, hoffe Freitag darauf, dass die Türen im Dezember wieder geöffnet werden dürfen. „Sonst müssen wir im Januar kompensieren.“ Eigentlich hat das Haus in der Vorweihnachtszeit rund 6000 Schüler zu Gast, die Weihnachtsmärchen aufführten. Das für dieses Jahr geplante Märchen „Die Schneekönigin“ sei abgesagt worden. Abstand halten wäre schwierig geworden.

Stattdessen soll jetzt das „Wirr-Wahr-Weihnachtsmärchen“ gezeigt werden. „Sollte es die Situation nicht zulassen, können wir aus dem Stück auch ein Wirr-Wahr-Winter- oder Ostermärchen machen“, sagte Freitag. „Wir versuchen irgendwie, auf die Situation zu reagieren.“ Die Erstattung der Einnahmeausfälle habe das Land zugesichert. Die Erzählung, in der eine Märchenfigur vergessen hat, aus welche Märchen sie stammt, soll während Corona digital in die Klassenzimmer kommen.

Mit neuen Ideen rettet sich auch Kathrin Thiele aus Potsdam durch die Corona-Zeit. Die Theaterpädagogin kann die Arbeit mit Schulklassen auch im zweiten Lockdown weiterführen - dank digitaler Technik. Gerade arbeitet die 48-Jährige mit Schülern einer Potsdamer Gesamtschule in ihrer Theater-AG an einem Textbuch. Dazu treffen sich die Schüler online auf einer digitalen Plattform. Ende des Schuljahres soll dann eine öffentliche szenische Lesung auf Youtube gezeigt werden.

Vor ein paar Tagen drehte Thiele mit einer Theater-AG einen kleinen Film. Die Schüler spielten alleine zu Hause. Ihr Gegenüber: ein Stuhl oder eine Tasse. Am Ende wurden die Szenen zusammengeschnitten. „Es ist spannend, Theater anders zu denken. Am Ende weiß man nie, was rauskommt. Es ist ein künstlerischer Prozess“, sagt die gelernte Textil-Künstlerin aus dem Harz. Das Theaterspielen sei für Schüler besonders in der Corona-Zeit „ein wichtiges Ventil“.

Ihr mobiles Figurentheater, mit dem die 48-Jährige auch in Kindergärten, Kirchen und auf Weihnachtsmärkten auftritt, stehe gerade mangels Anfragen still. Man müsse schauen, wie diese Arbeit nach der Krise weitergehe. Digital funktioniere das Spielen mit den Puppen für sie eigentlich nicht - zu viel technisches Know-how für die Filme sei nötig. Um Kindergartenkinder dennoch auch zu Hause zu erreichen, ließ sie ihre Puppen aber dann doch vor die Kamera, in ihrem Film „Toschka grüßt alle Kinder aus dem Wohnzimmer“.

Für das Teatre Blau, das in verschiedenen Spielstätten in Brandenburg auftritt, ist die Verunsicherung sehr groß, sagte Mitgründerin und künstlerische Leiterin, Katja Lebelt. Besonders finanziell sei die Zeit gerade schwierig und Enttäuschungen groß, wenn geprobte Stücke abgesagt werden. Die Schauspieler probten gerade digital - für das international aufgestellte Theater sei das gut machbar.

Gerade werde an dem „Digital Landscape Theater“ gearbeitet, eine Mischung aus Film und Theater, mit dem die Gruppe es langfristig ermöglichen will, internationale Theater- und Videoproduktionen auch außerhalb der Großstädte zu realisieren. Gefilmt wird an zwei Orten: in Spanien und dem beschaulichen Schönhagen in der Prignitz.

Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) ist trotz Corona derzeit gut beschäftigt. Durch Projekte unter anderem mit der Universität der Künste (UdK), den Brandenburger Festspielen und der Stiftung Hilfe für Familien in Not sei das Orchester im November voll ausgelastet, berichtete Sprecher Uwe Stiehler. Geprobt und aufgenommen werde in der Messehalle der Stadt, wo aufgrund der Raumgröße und der modernen Belüftungsanlage alle Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden könnten. Bei allen Projekten werde streng darauf geachtet, dass sich nie mehr als die erlaubten 50 Mitwirkenden in der Messehalle befänden, so Stiehler.

So haben die Musiker für die Stiftung eine Benefiz-CD eingespielt und dafür Beethovens „Eroica“ aufgenommen. Diese Platte soll das wegen der Pandemie abgesagte, jährlich stattfindende Benefizkonzert des Orchesters in Potsdam ersetzen und ist für die Spender der brandenburgischen Landesstiftung gedacht.

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