SZ-Serie: Drehmomente, Teil 3:Aus Freude am Anbandeln

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Cleo Kretschmer und Klaus Lemke in den 70er Jahren. (Foto: Klaus Lemke Filmproduktion)

In den Siebzigerjahren galt Klaus Lemke als "König von Schwabing", doch seine Komödie "Amore" mit Cleo Kretschmer hat er in Haidhausen gedreht. Die Münchner lieben den Film noch immer.

Von Barbara Hordych

Natürlich ist es nicht erst in Zeiten von "Me Too" ein Unding, wie der 1978 gedrehte Film "Amore" von Klaus Lemke beginnt: Die von Cleo Kretschmer gespielte Maria steht hinter der Theke ihres Gemüseladens, wird von zwei Handwerkern um Puderzucker gebeten. Als sie die Ware über die Theke reicht, erklären die beiden breit grinsend: "Kannst ihn wieder zurückstellen. Wir wollten nur einmal sehen, wie du von hinten ausschaust." Sie seien "kindische Deppen", kanzelt Maria sie ab, nicht laut, sondern eher beiläufig in dieser unnachahmlich nuschelnden Kretschmer-Art, woraufhin die beiden um Entschuldigung für ihren "Scherz" bitten. Versöhnt ist man schnell miteinander, Maria wird "den Deppen" später großzügig anbieten, sie sollten morgen bezahlen.

Die Zeiten waren irgendwie anders damals, nicht nur in Lemkes bayerischen Komödien, sondern auch in Haidhausen, wo "Amore", der vierte und erfolgreichste Film des Gespanns Lemke/Kretschmer, gedreht wurde. In der Sedanstraße ist der Gemüseladen, den der verwitwete Vater und die Tochter zusammen führen, einige Meter weiter, in der Metzstraße, liegt das Café, in dem Marias Freundin Bärbel arbeitet. Café? Dort stehen nachmittags schon die Männer hinter ihrem Bier herum, einerlei, wann die "Konditorei" mit der orangefarbenen Markise ins Bild rückt, Kuchen isst dort niemand.

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"Das war hier früher so eine bayerische Boazn", sagt Christiane Jenewein, die Besitzerin des Café Fortuna, wie die Konditorei heute heißt. Deutlich schicker oder besser: hipper ist es da jetzt, sowohl die Einrichtung drinnen wie das Publikum draußen, wie überhaupt der ganze Stadtteil immens aufgehübscht ist seit den Siebzigern. Trotzdem war das Café Fortuna beide Male, als Jenewein hier "Amore" zeigte, proppevoll. "Die Münchner lieben den Film, er hat seine Frische bis heute behalten und trifft sie mitten ins Herz", sagt der 77 Jahre alte Independent-Filmer Klaus Lemke. Er wirkt selbst ein wenig erstaunt darüber.

Verwandelte sich Kretschmer in dem Vorgängerfilm "Idole" noch von einer Landpomeranze in ein Glamour-Girl, läuft sie in "Amore" die meiste Zeit in einem blauen Overall herum, schließlich muss sie volle Obstkisten wuchten vom Großmarkt ins Auto und in den Laden. "Ein Mannsbild muss her, aber das wirst eh nie kriegen, so gschlampert, wie du umeinanderläufst", raunzt der Film-Vater seine Tochter an. "Sorg du lieber dafür, dass wieder eine Frau ins Haus kommt, die im Laden mit anpackt. Und überhaupt, damit diese Sauferei ein Ende hat", blafft Tochter Maria zurück. Ein wunderbares Vater-Tochter-Duo, das sich nichts schenkt, aber hinter dem Rücken des jeweils anderen Amor spielen will. Trotzdem ist es die unscheinbare Maria, die den Schönling Pietro (Pietro Giardini) im Großmarkt für sich gewinnt, wenn auch eher mit Schlagfertigkeit als mit gezielten Augenaufschlägen.

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(Foto: Lemke Filmproduktion)

Wenn sie ihrer Freundin Maria etwas mitteilen will, stöckelt die Bedienung Bärbel (Brigitte Platzer) kurzerhand vom Café hinüber in den Gemüseladen in der Sedanstraße.

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(Foto: Lemke Filmproduktion)

Wenn Maria (Cleo Kretschmer) ein Date hat, verlegt sie es in Bärbels Café.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im heutigen "Café Fortuna" wandern die bunten Stühle bei schönem Wetter nach draußen.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Und wenn hier der Film "Amore" läuft, ist es drinnen proppevoll.

"In Wirklichkeit wollten damals beide gar nicht miteinander drehen", erinnert sich Lemke. Der Italiener Giardini sei seinerzeit wirklich der Schwarm aller Mädchen gewesen, zumindest in Schwabing. "Der wollte lieber mit einer Hübscheren drehen." Ihm selbst sei es zunächst ähnlich gegangen, räumt er ein. "Vor Cleo war ich immer mit so Model-Mädchen zusammen. Weshalb sich meine Freunde schlapp lachten, als ich auf einmal mit so einer kleinen Schwarzhaarigen vom Land ankam." Aber er habe bei ihr sofort gewusst, "sie ist etwas Besonderes, aus ihr wird etwas".

Im Gegenzug fand Cleo den Pietro "viel zu hübsch, sie hatte beinahe Angst vor ihm", sagt Lemke. Genau diese Dynamik habe er für den Film genutzt. Cleo mache all das normale "Mädelszeug" nicht, um den Hallodri zu erobern. Stattdessen faucht sie ihn an, versetzt ihm eine Ohrfeige, lässt ihn links liegen und macht ihn damit wahnsinnig. "Das Fantastische war, dass sie am Schluss der Dreharbeiten ihr Ziel erreicht und ihn ganz kirre gemacht hat. Er redete immer nur von Cleo hier und Cleo da", sagt Lemke. Das sei sowieso das Beste, wenn seine Hauptdarstellerinnen "nicht für mich, sondern für sich spielen". Machte ihn das eifersüchtig, diese Entwicklung zu dokumentieren? "Doch, schon. Aber Eifersucht spornt einen ja auch an. Durch den Erfolg meines Hamburger ,Rocker'-Films war ich total oben auf, und es war ganz gut für mich, um Cleo kämpfen zu müssen. Sie holte mich wieder runter."

Obwohl Lemke damals als "König von Schwabing" galt, drehte er seine "zarte Liebesgeschichte", wie er sie selber nennt, in Haidhausen. Warum gerade dort? "Weil Peter Kienberger, der Cleos Film-Vater spielt, eine Kneipe in Haidhausen hatte. Ich dachte mir, ist doch toll, dann können wir in seinem Lokal drehen und auch immer kostenlos dort saufen." Kurioserweise sind die Szenen im Lokal später beim Schneiden rausgefallen, übrig geblieben sind der Gemüseladen und das Café, in dem Marias Freundin Bärbel (Brigitte Platzer) arbeitet. "Sie war zu der Zeit wirklich die beste Freundin von Cleo, deshalb kommt die Freundschaft auch so authentisch rüber, ich brauchte nur im richtigen Moment die Kamera draufzuhalten", sagt Lemke. Da wären sie also, die charakteristischen Lemke-Ingredienzien: Laiendarsteller, improvisierte Dialoge und ein Minimalbudget ergeben in "Amore" herrlich komische Szenen. Etwa, wenn erst der wütende Pietro aus dem Café in Richtung Gemüseladen stürmt. Ihm hinterdrein die auf Maria eifersüchtige Bärbel. Die wiederum von ihrem entrüsteten Chef verfolgt wird, weil sie schon wieder seine Gäste im Stich lässt. Auch wenn dem Film-Papa der von Wolfgang Fierek gespielte Franz als Schwiegersohn viel lieber wäre als der "Tomaten-Papagalli", wird aus Pietro und Maria ein Paar. In späteren Lemke-Komödien, etwa in "Ein komischer Heiliger", ist das anders. Dort kapert sich Kretschmer als schräge Irma-la-Douce-Variante den in der Schillerstraße missionierenden Fierek. Und der schöne Pietro als Assistenzarzt hat keine Chance dazwischenzukommen.

Ein Wiedersehen mit "Amore" und anderen Münchner Lemke-Filmen gibt es am 10. August bei der Filmkunstwochen-Nachtwanderung "Reclaim the Streets". Lemke persönlich ist dabei, wenn die Serie "Drehmomente" bei der "SZ-Nacht der Autoren" am 15. September präsentiert wird.

© SZ vom 08.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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