Klassik:Auf die Zuhörerinnen kommt es an

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Die Augsburger Domsingknaben in Bad Tölz bei einem Knabenchorfestival. (Foto: Hartmut Pöstges)

Eine Studie zeigt, dass Knabenchöre anders klingen, wenn im Publikum junge Frauen sitzen.

Von Kathleen Hildebrand

Es geht also wieder mal nur um Sex. Sogar bei einem der renommiertesten Chöre der Welt, sogar bei Choral und Fuge, sogar bei Johann. Sebastian. Bach. Zumindest, wenn man den älteren Mitgliedern des Knabenchors sehr genau zuhört - und zumindest, wenn junge Frauen im Publikum sitzen.

Einer Studie zufolge, die gerade im Fachmagazin Biology Letters erschienen ist, klingen die Jungen merklich anders, je nachdem, ob sie vor einem ausschließlich männlichen Publikum singen oder ob Mädchen im Teenageralter darunter sind. Und sie klingen nicht nur anders, sondern: besser. Zumindest, wenn man Frauen fragt.

Eine Gruppe von Forschenden der Western-Sydney-Universität in Australien hat für ihre Untersuchung den Leipziger Thomanerchor beim Singen zweier Bach-Stücke aufgenommen: einem Choral und einer Fuge. Einmal sangen die Jungen vor rein männlichem Publikum, einmal waren junge Frauen darunter, platziert in der Mitte und vorne, also für die Jungen gut sichtbar.

Die Jungs verstärkten den Gesang zwischen 2500 und 3500 Hertz

Das Resultat: Die Bässe, also die ältesten Jungen mit den tiefsten Stimmen, verstärkten ihren Gesang im Frequenzbereich zwischen 2500 und 3500 Hertz. Diese Verstärkung, der sogenannte Formant, führt zu einem besonderen, von manchen als "strahlend" beschriebenen Klang. In derselben Studie wurden männliche und weibliche Hörer, insgesamt 2247 Personen, zu ihrem Höreindruck befragt. Beide Geschlechter nahmen die Klangveränderung wahr. Aber während die Männer ihr neutral begegneten, empfanden die Frauen sie als schöner, als attraktiver.

Es sieht so aus, als modulierten die älteren, sexuell reifen Jungen den Klang ihrer Stimmen, um herauszustechen. Allerdings nicht in einem Maß, das den Gesamtklang des Chors stören würde. Die Elemente Kooperation und Wettbewerb scheinen sich in diesem Fall gut miteinander vereinbaren zu lassen. Es ist ein bisschen, das schreiben auch die Forscher zum Vergleich, wie bei den Fröschen: Die Gruppe der Männchen kooperiert, indem sie besonders laut und schön quakt und so Weibchen anlockt. Aber wenn die einmal da sind, will der einzelne Frosch auch als Solist bemerkt werden und versucht sich im harmonischen Gefüge der Quaker hörbar zu machen.

Im Fall des Chorals mit seinem homogenen Klang war die Klangveränderung der Thomaner denn auch stärker als beim Singen der Fuge, die in ihrer Polyphonie für den einzelnen Sänger ohnehin mehr Möglichkeiten bietet, um herauszustechen.

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