In der Regel wird es ungern gesehen, wenn sich Amerikaner in die britische Innenpolitik einmischen. Doch die unerwartete Wortmeldung eines vierfachen Oscar-Gewinners zur Kulturpolitik der britischen Koalitionsregierung hat in diesen Tagen ein positives Medienecho gefunden:
Clint Eastwood fordert Schatzkanzler George Osborne in einem offenen Brief "respektvoll" dazu auf, die vor zwei Wochen verkündete Auflösung der britischen Filmförderstelle, des UK Film Council (UKFC), noch einmal "genauestens zu überdenken": "Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig das UK Film Council für mich ist", so Eastwood. "Die Aussicht, eine solch wichtige Ressource zu verlieren, ist bei der Planung künftiger Projekte von höchster Wichtigkeit."
Eastwood drehte seinen jüngsten Film, den spiritistischen Thriller "Hereafter", in London und fand dabei die Unterstützung durch das UKFC vorbildlich. Er schließt sich mit seiner Parteinahme als erster prominenter Ausländer einer wachsenden Gruppe britischer Regisseure, Produzenten und Schauspieler an, die das Film Council erhalten sehen wollen. Mike Leigh zeigte sich "schockiert", Mike Figgis "zutiefst enttäuscht" von der Entscheidung.
Doch die Rettungschancen stehen schlecht - und das, obwohl die wirtschaftliche Rolle des UKFC seit seiner Gründung im Jahre 2000 positiv gewesen ist. Es hat während seines zehnjährigen Bestehens rund 900 Produktionen mitfinanziert, darunter bei Kritik und Publikum erfolgreiche Filme wie "Gosford Park", "Kick It Like Beckham", "Der ewige Gärtner" und "Der letzte König von Schottland". Zuletzt konnte es jährlich auf einen Fördertopf von 63 Millionen Pfund zurückgreifen, der sich je zur Hälfte aus dem Lottery Fund und aus Steuergeldern speiste.
Die jüngste Entwicklung der britischen Filmindustrie ist eine ökonomische Erfolgsgeschichte. Ihre Umsätze haben sich im vergangenen Jahrzehnt auf rund viereinhalb Milliarden Pfund im Jahr verdoppelt. Das UKFC war dabei nicht nur über die Verteilung von Subventionen, sondern auch durch Lobbyarbeit und gezielte Förderung von Nachwuchsregisseuren wie Shane Meadows ("This is England") oder Quereinsteigern wie Steve McQueen ("Hunger") beteiligt.
Selbst durch die Förderung überwiegend amerikanischer Riesenproduktionen, die Harry-Potter- oder James-Bond-Filme, wurden etwa in den Pinewood-Studios britische Arbeitsplätze geschaffen und auch nach dem allgemeinen Einbruch durch die globale Wirtschaftskrise erhalten.
Die Koalitionsregierung muss einen strikten Sparkurs fahren; sie hat in den ersten Monaten ihres Bestehens eine Flut von Kürzungen in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens auf den Weg gebracht - ausgenommen sind bisher nur Gesundheitswesen und Verteidigung. Doch speziell die Schließung der Film-Förderstelle ist für Kulturminister Jeremy Hunt weniger eine wirtschaftliche als eine ideologische Grundsatzentscheidung.
Hunt ist ein erklärter Gegner der unter Labour etablierten "Quango"-Kultur. Das Akronym Quango steht für "Quasi-autonome Nichtregierungsorganisation". Diese Einrichtungen nehmen eine institutionelle Zwischenstellung ein: Sie werden zwar mit Steuergeldern finanziert und sind von der Regierung eingesetzt, sind dieser jedoch keine Rechenschaft schuldig, was ihre politische Unabhängigkeit garantieren soll.
Hunt hatte schon vor der Unterhauswahl im Mai klargemacht, dass er eine sich am amerikanischen Vorbild des Corporate Sponsorship und der Philanthropie orientierende Kulturlandschaft wolle. Er erfüllt damit das uralte Tory-Credo, kulturelle Angebote sollten nicht von abgehobenen Kultur-Insidern bestimmt sein, sondern sich nach der Nachfrage richten.
Hinsichtlich des UKFC argumentiert Hunt, durch die wegfallenden Verwaltungskosten werde mehr Geld für die Filmförderung frei. Doch erstens lässt er dabei unerwähnt, dass viele der Quango-Angestellten Arbeitsverträge haben, die ihnen eine staatliche Weiterbeschäftigung garantieren. Der Spareffekt wird also minimal sein. Und zweitens ist bisher vollkommen unklar, was an die Stelle des UKFC treten soll, wenn es plangemäß im Jahre 2012 abgewickelt ist.
Der nächstliegende Kandidat wäre das British Film Institute (BFI). Es fungiert momentan vor allem als Bewahrer des britischen Film- und Fernseherbes. In seinem Archiv lagern mehr als eine Viertelmillion Filme und Filmausschnitte sowie eine halbe Million Fernsehprogramme. Vor der Gründung des UKFC fiel dem BFI auch die Rolle als Förderstelle zu.
Doch das Film Council wurde gerade deshalb etabliert, weil eine einzelne Institution mit Archivierung und Subvention überfordert wäre. Seitdem sind die Mittel, die es zu verteilen gibt, deutlich angewachsen. Weder das BFI noch der andere mögliche Kandidat, das für die Kunstsubvention zuständige Arts Council, scheinen für eine solche Funktion logistisch gerüstet, zumal das Arts Council, eine weitere Quango, selbst um seine Existenz fürchten muss.
Eine Möglichkeit, den Druck zu reduzieren, wäre die Streichung eines Großteils der Fördermittel. Dazu hat sich Jeremy Hunt bisher nicht näher geäußert. Klar ist jedoch, was der bisherige UKFC-Leiter John Woodward so zusammenfasst: "Welche Strukturen zur Unterstützung britischer Filmemacher auch immer erhalten bleiben, sie werden in jedem Fall fragmentierter, weniger einflussreich und inkohärenter sein."