Salzburger Festspiele:Kurzes Intermezzo

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Schauspielerin Verena Altenberger und ihre Frisur in Salzburg. (Foto: imago images/SKATA)

Die Buhlschaft hat die Haare kurz. Einige irritiert das. Ein Plädoyer für mehr Freiheit auf und in Köpfen.

Von Christiane Lutz

Es gibt nur zwei Gründe, warum jemand lange Haare haben muss. Entweder man ist Samson, und alle Kraft liegt in den Haaren verborgen, oder man ist Rapunzel, und die Frisur ist die einzige Chance, einem sehr öden Leben in einem Turm zu entkommen. Alle anderen müssen gar nichts.

Dieses zauselige Zeug zum Beispiel, das der Schauspieler Lars Eidinger da auf dem Kopf herumträgt, das hat seine Berechtigung. Eidinger spielt derzeit den Jedermann in Salzburg und hat sich offensichtlich nicht von irgendwelchen Konventionen vom männlich aufgeräumten Haupthaar leiten, sondern dieses einfach mal loswachsen lassen. Stört niemanden. Anders sieht das bei seiner Kollegin Verena Altenberger aus. Sie spielt die Buhlschaft, die, wie alle in dem Stück, nur nach ihrer Funktion benannt ist. Die Buhlschaft hat die Haare kurz. Also Jean-Seberg-in-"Außer Atem"-kurz, mindestens.

Das erregt erstaunlich viele Gemüter. Altenberger musste in Interviews mehrfach erklären, warum sie die Haare so kurz (und nicht lang!) trage (nämlich für eine Filmrolle einer an Krebs erkrankten Frau). So, als müsse es einen sehr schlimmen oder mindestens künstlerisch zwingenden Grund für eine Frau geben, sich den Kopf zu rasieren.

Der männliche Fokus bei der Buhlschaft: Haare und Busen

Sie bekam Nachrichten von Männern, die ihr sagen wollten, dass das mit den kurzen Haaren gar nicht schön aussehe. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen, schrieb einer, sei gottgewollt. Und Gott will, dass Frauen lange Haare haben, um den Männern zu gefallen, klar. Ein Kritiker schrieb über ihr Aussehen: "... dieses Jahr mit kaum Buhlschaftsbusen und noch weniger Haar", und ergänzte: "Lange her, die Tage der üppig flamboyanten Senta Berger als Jedermanns Prachtweib." Ein Urteil ist das zwar nicht, der enttäuschte Unterton vielleicht Zufall, aber der Aufmerksamkeitsradius ist gesteckt: Busen und Haare.

Man könnte meinen, die Kunst und auch die meisten Männer seien 2021 über solche Oberflächlichkeiten erhaben. Aber gut, einmal streng hingeschaut auf den Buhlschaftskopf. Und: Die Frisur sieht cool aus. Wie einst bei Jean Seberg, bei Mia Farrow, jüngst bei Emilia Schüle oder Michelle Williams und eigentlich allen Schauspielerinnen, die sich einen Pixicut schneiden ließen oder den Kopf rasierten. Wer die Haare so kurz trägt, kann das Gesicht kaum mehr verstecken, die Augen erscheinen größer, jede Regung deutlicher. Klamotten sehen plötzlich anders aus, Schmuck auch. Auf Leinwänden und auch im echten Leben kommt das intensiv rüber, eine wunderbare Spielerei also mit dem Aussehen. Eine sehr risikoarme noch dazu, schließlich wachsen Haare wieder. Einmal im Leben könnte sich also jeder und jede trauen, sich den Kopf zu rasieren und zu schauen, was das so macht mit der Umwelt und der eigenen Wahrnehmung. Auch Altenberger wirkt mit ihren kurzen Haaren stark und weich zugleich. Flamboyant allemal, wem das Wort gefällt.

Möglich also, dass Verena Altenberger gar erst wegen ihrer kurzen Haare eine überzeugende Buhlschaft spielt. Wahrscheinlicher aber, dass sie einfach eine überzeugende Buhlschaft spielt.

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