Sachbuch für Jugendliche:Nur die Harten

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Jason Reynolds/ Ibram X. Kendi: Rassismus, Antirassismus und du. Bearbeitet von Sonja Cherry-Paul, Illustrationen von Rachelle Baker. Dt. von Anja Hansen Schmidt. Dtv Reihe Hanser, München 2022. 160 Seiten, 15 Euro. Ab 10 Jahren. (Foto: Verlag)

Das Sachbuch "Rassismus, Antirassismus und du" kommt weniger als Argumentationshilfe daher denn als Predigt. Und es vergisst die Frauen.

Von Michael Schmitt

"Rassismus, Antirassismus und du" - direkter können junge Menschen kaum angesprochen werden. Aber wen genau meinen die beiden Autoren Ibram X. Kendi und Jason Reynolds? Nur unmittelbar Betroffene oder alle, die am Thema interessiert sind? Ausgewiesen ist das neue Buch der beiden als Geschichtsbuch für junge Menschen ab zehn mit unmittelbarem Nutzen für die Gegenwart, und sein Anspruch ist unmissverständlich: Es geht um eine Reise zu zentralen Momenten und markanten Vertretern rassistischen Denkens und Handelns. Aber auch darum, den Feindbildern Heldinnen und Helden gegenüberzustellen, die als Antirassisten in Gegenwart und Zukunft Vorbilder sein können, weil sie die Leserin oder den Leser so lieben, "wie du bist".

Genau darin aber steckt die Frage, wem diese Hilfestellung in Sachen Empowerment zugedacht sein könnte? Nur schwarzen jungen Menschen, die um Sichtbarkeit und Selbstbewusstsein kämpfen müssen? Oder doch einem weiteren Kreis von Leserinnen und Lesern, die mehr verstehen und sich solidarisch engagieren möchten? Das Geschichtsbild, das auf rund 160 Seiten vermittelt wird, deutet auf eine eher eng gefasste Zielgruppe. Die raffende und pointierte Darstellung erinnert oft mehr an einen Katechismus als an aufklärerische Impulse zum Selberdenken. Letzteres wird zwar als Ziel herausgestellt - Leserinnen und Leser werden immer mal wieder als "Wahrheitssucher" angesprochen -, rhetorische Fragen und anbiedernder Sprachduktus suggerieren aber mehr, als dass sie aufklären. Das Buch wendet sich streckenweise im Modus Predigt an eine Gemeinde und kaum als Argumentationshilfe an Wissbegierige. Einverständnis zwischen Publikum und Autoren ist implizit vorausgesetzt.

Viele, auch berühmte Frauen werden als Vorkämpferinnen gar nicht genannt

Vergleichbare Einwände gegen das Auftreten von Ibram X. Kendi sind in den USA schon öfter erhoben worden, es fällt ihm genau wie Jason Reynolds offensichtlich leicht, Feinde und Freunde zu sortieren. Beide sind Superstars, der eine als Aktivist und Historiker, der andere als Jugendbuchautor, sie setzen die Maßstäbe und treffen auch unter den möglichen Bundesgenossen aller Zeiten eine strenge Auslese, weil nur die kompromisslosen Antirassisten vor ihren Augen bestehen können.

Das sind zumeist Männer. Viele, auch berühmte Frauen werden als Vorkämpferinnen gar nicht genannt oder lediglich in summarischen Aufzählungen gelistet. Harriet Tubman etwa, die Hunderte Sklaven vor dem amerikanischen Bürgerkrieg aus den Südstaaten in den freieren Norden der USA führte, wird nicht erwähnt - ein Schelm, wer dabei an Donald Trump denkt, der das Konterfei dieser Frau 2016 nicht auf einer neuen Zwanzig-Dollar-Note sehen wollte. Der Kampf von Rosa Parks um einen Sitzplatz in einem Bus in Montgomery/Alabama im Jahr 1955 bleibt ebenfalls unerwähnt, allenfalls in Kapiteln zum Protestpotenzial des Hip-Hop oder zur Gründung von #Black Lives Matter ändert sich etwas an dieser Erzählstrategie. So wird aus einem Buch mit berechtigtem Anliegen eine Polemik mit unklarer Vorstellung vom selbstgesetzten Thema.

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