Die Aufnahmen, auf denen eine Horde Fanatiker jahrtausendalte Bildwerke vorsätzlich zerschlägt, gingen um die Welt - und sie musste hilflos zusehen. Die Bilder von archäologischen Fundstätten in Syrien und im Irak, die Raubgräber als geplündert hinterlassen haben, finden dagegen weniger Beachtung. Und das, obwohl an diesen Stellen besser geholfen werden könnte, Kulturgüter zu retten.
Im Irak dokumentierten Denkmalschutzorganisationen nach 2003 an vielen Orten, wie der Wegfall staatlicher Aufsicht zu Plünderungen durch Raubgräber geführt hatt. Ähnliches geschah während der Unruhen in Ägypten 2011. Und auch die Satellitenbilder von syrischen Fundorten zeigen dramatische Veränderungen nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges.
In der antiken Stadt Dura Europos mit ihrem orthogonalen Straßengitter, gegründet im dritten Jahrhundert vor Christus, scheinen jeder ehemalige Häuserblock und das Gebiet außerhalb der Stadtmauer geradezu umgepflügt. Der Palast von Mari aus dem zweiten und dritten vorchristlichen Jahrtausend und der Siedlungshügel Tell Schech Hamad aus assyrischer Zeit (ab etwa 1350 vor Christus) sind durchlöchert. Und die Gruben sind nur der sichtbare Teil der Zerstörung: Einige dieser Löcher münden in horizontale Tunnel, die direkt in die archäologisch reichhaltigste Schicht führen.
Raubgrabungen in Syrien 2012 - 2014: Interaktive Grafik
Raubgräber zerstören doppelt
Der Schaden, der durch diese illegalen Aktionen entsteht, ist unbezifferbar. Denn der Wert eines archäologischen Objektes lässt sich nicht durch ein Preisschild bemessen. Er besteht in dem, was es uns über das Leben der Menschen in der Vergangenheit erzählen kann. Doch um darüber etwas zu erfahren, braucht ein Objekt seinen Fundkontext. Der wird durch eine Ausgrabung unwiederbringlich zerstört und muss deshalb genau dokumentiert werden.
Umgekehrt kann ein Kontext oft erst durch die Objekte interpretiert werden: Handelt es sich um ein Wohnhaus oder um einen Tempel? Raubgräber zerstören deshalb doppelt: Sie reißen ein Objekt aus seinem Kontext - und sie nehmen dem Kontext, dem Fundort, sein Objekt.
Was die Plünderer in Dura Europos, in Mari und vielen anderen Fundstätten gefunden und mitgenommen haben, weiß niemand - und wenn sie ihre Beute auf den Schwarzmarkt werfen, kann keiner überprüfen, wo sie herkommt.
Deutsche Gesetze machen es dem illegalen Antikenhandel leicht
Wenn aber die Provenienz, also die Herkunft eines Objektes, unklar ist, sollte es nicht verkauft werden dürfen. Eine Unesco-Konvention von 1970 wollte das durchsetzen. Doch als Deutschland die Konvention 2007 endlich ratifizierte, war das Gesetz, mit dem sie in nationales Recht umgesetzt wurde, so lasch, dass Deutschland zu einer Drehscheibe des illegalen Antikenhandels geworden ist.
Denn, so erklärt der Leiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger im SZ-Interview: "Es werden nur Objekte geschützt, die gelistet sind. Was aber aus Raubgrabungen kommt, das kann sich auf keiner Liste befinden." Und: Bisher ist ein Nachweis des legalen Erwerbs durch den Besitzer nicht notwendig. Stattdessen müssen Ermittler nachweisen, dass jemand eine Antike illegal beschafft hat.
In einem Interview für eine Reportage des NDR brachte es die beim BKA für die Bekämpfung des illegalen Antikenhandels zuständige Sylvelie Karfeld auf den Punkt: "Nach dem deutschen Recht wird ein normales Hühnerei besser geschützt und besser deklariert als die wertvollste Antike."
Zwar besteht für Kulturgüter aus dem Irak und aus Syrien ein Ein- und Ausfuhrverbot in der EU. Doch Insider aus der Kunsthandelsszene berichten von den Tricks, mit denen solche Restriktionen umgangen werden. Hinzu kommt, dass es nicht genug ausgebildete Polizisten gibt. Françoise Bortolotti, Expertin für Kunstraub bei Interpol, beklagte im Dezember 2014 in einem Interview mit der FAZ, viele Zollmitarbeiter würden falsch deklarierte Antiken gar nicht erkennen.