Zerstörung von Kulturschätzen in Syrien:Das Schlimmste sind die Raubgräber

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Die Kreuzritterfestung Krak des Chevaliers - beschädigt durch die Kämpfe in Syrien, wie viele weitere Kulturstätten. (Foto: Unesco / Professor Maamoun Abdul)

Die Unesco zieht eine erste Bilanz der Kulturschäden in Syrien. Gravierender noch als die Kriegsschäden und selbst als der ideologisch motivierte Vandalismus ist, was durch Raub quer durchs Land angerichtet wird.

Von Joseph Hanimann, Paris

Von den Verwüstungen an den Kulturgütern Syriens durch den Bürgerkrieg kamen zunächst Gerüchte, dann Satellitenbilder, schließlich auch schlimme Fotos in Umlauf. Etwa jene vom Trümmerfeld der Minarette der Umayyaden-Moschee in Aleppo oder von der durchlöcherten Kreuzritterfestung Krak des Chevaliers auf der Anhöhe zwischen Homs und Tartus. Jetzt aber liegen zum ersten Mal detaillierte Informationen vor, die erlauben, sich ein Gesamtbild zu machen.

"Wir erstellen Karten, die zeigen, was getroffen und was noch heil ist", sagte in Paris der Direktor des Bereichs "Kultur" bei der Unesco, Francesco Bandarin, nach einem Expertentreffen mit Vertretern internationaler Denkmalschutzorganisationen und Interpol. Dass zu diesem Treffen auch Lakhdar Brahimi, der Sonderbeauftragte für Syrien bei der Uno, angereist kam, während die allgemeine Aufmerksamkeit eher dem Giftgasangriff und den möglichen westlichen Vergeltungsschlägen gilt, beweist den Willen, bei allem menschlichen Leid die Kultur nicht zu vergessen. Vor zwei Monaten schon sind alle sechs Stätten des Weltkulturerbes in Syrien von der Unesco auf die Rote Liste der gefährdeten Objekte gesetzt worden .

Gravierender noch als die Kriegsschäden und selbst als der ideologisch motivierte Vandalismus ist das, was durch Kunstraub und Raubgrabungen quer durchs Land angerichtet wird. Dies geht aus dem Situationsbericht hervor, den jetzt Maamoun Abdulkarim, der Direktor für antike Denkmäler und Museen Syriens, in Paris vorlegte. Die Lage der Museumsbestände ist demzufolge insgesamt nicht allzu beunruhigend, da sie vom Personal rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurden. Die Museumssäle in Syrien seien heute weitgehend leer, sagt Abdulkarim. Einzelne Objekte - wie eine goldverkleidete Bronzestatue der Aramäerzeit aus dem Museum von Hama oder eine Marmorskulptur aus dem Museum von Apameia - seien zwar verschwunden. Dank der Wachsamkeit des Personals und einzelner Bürgerwehren bleibe der Schaden aber begrenzt.

Gelitten hingegen haben die Bauwerke. Der alte Markt von Aleppo aus dem 14. Jahrhundert, seit 1986 Weltkulturerbe der Unesco, ist vollkommen ausgebrannt. Abdulkarim bestätigt auch die Zerstörung der beiden Minarette der Umayyaden-Moschee in der selben Stadt sowie jener der Al-Omari-Moschee in Deraa. Die Kreuzritterburgen Krak des Chevaliers und Al-Madik sind schwer beschädigt, ebenso die Kirche Oum el-Zenar und andere Bauwerke in Homs. Nicht ganz so ernst sieht es bisher in der Oasenstadt Palmyra aus. Fassade und Säulen des Baal-Tempels weisen einzelne, reparierbare Schäden auf. Die Stadtmauern Palmyras wurden laut Abdulkarim aber mutwillig beschossen.

Der alte Markt von Aleppo: Weltkulturerbe, nun völlig verwüstet. (Foto: Unesco / Professor Maamoun Abdul)

Raubgrabungen und Plünderung sind in alten Kulturgegenden wie dem Nahen Osten die unabwendbare Begleiterscheinung von Krieg. Sie haben laut Francesco Bandarin nichts Spontanes, sondern sind das Werk organisierter und stark bewaffneter Banden. Besonders betroffen davon ist offenbar die Gegend von Apameia, der einstigen römischen Provinzhauptstadt, wo das Plündern seit Monaten im Gang ist. Auch in der Nähe von Deraa sind laut Antikenchef Abdulkarim Hunderte Diebe im Sold von Rauborganisationen tätig, ebenso im Yarmouk-Tal auf dem Tell Achaari. Auf dem Tell Qaramel im Bezirk Aleppo könne man schon gar nicht mehr von "Raubgrabung" sprechen, sagte Abdulkarim, denn die Stätte würde mit Baggern auf der Suche nach Wertvollem geradezu umgepflügt.

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre in Afghanistan und im Irak habe die Unesco ihren Umgang mit solchen Situationen verbessern können, sagte die Generaldirektorin Irina Bokova. Die Erstellung von Katalogen mit Raubgütern und die Kooperation zwischen Akteuren des Kunstmarkts hat sich beschleunigt. Viertausend Objekte sollen in Damaskus, Palmyra und Homs schon sichergestellt worden sein, und dank der engen Zusammenarbeit mit Interpol konnten unlängst 73 illegal nach Libanon gelangte archäologische Fundstücke beschlagnahmt werden.

Die Zusammenarbeit von Interpol, Unesco, Icomos und anderen Denkmalschutzorganismen mit den syrischen Stellen setzt unter größtmöglicher Umgehung des Regimes in Damaskus auf den Sachverstand der professionellen Museumsverwaltung des Landes. Syrien hat mit seinen enormen Kulturschätzen einen gut ausgebauten Konservierungs- und Verwaltungsapparat, der weitgehend auf die französische Protektoratszeit zurückgeht.

Auch in der Stadt Homs dokumentiert die Unesco die Zerstörung. (Foto: Unesco / Professor Maamoun Abdul)

Diese Administration wiederum sucht heute unter ihrem Direktor Abdulkarim - vorbei an der politischen Frage: für oder gegen das Regime - sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, mag sie auch in ihrem Bericht immer wieder darauf hinweisen, wie schlimm die Lage gerade in den von ihr, das heißt vom Regime, nicht mehr kontrollierten Gebiete sei, etwa in Raqqa oder Maaret. Auch von der türkischen Grenze her drängten immer neue Plünderungsgruppen ins Land herein, moniert die Antikenverwaltung - und lässt in Anspielungen durchblicken, dass manche Verwüstungen offensichtlich auf ideologische Absichten gewisser Rebellengruppen zurückgehen.

So will im gemeinsamen Bestreben nach politischer Enthaltsamkeit im Namen der Schadenbegrenzung auch niemand von der Option westlicher Vergeltungsschläge gegen Damaskus etwas hören. Die humanitäre Lage in Syrien sei "ein Desaster", sagte der UN-Delegierte Lakhdar Brahimi in Paris: Und dasselbe Wort würde er für die Situation der Kulturgüter verwenden, sollten den Bomben immer neue Bomben antworten.

Menschliches Leid und kulturelle Zerstörung können nicht gegeneinander aufgerechnet werden, sondern sie sind Kehrseiten desselben Problems. Im vergangenen Juli trat die syrische Museumsleitung mit einem Aufruf an die internationale Öffentlichkeit. Ein wertvoller Dienst gegenüber den Menschen des Landes und ihrem Weltkulturerbe wäre es, heißt es dort, wenn die inzwischen abgereisten westlichen Ausgrabungsinstitutionen zumindest die Wächter vor Ort während der Katastrophe zuverlässig durchfinanzieren würden.

© SZ vom 31.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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