Kino-Start-up Preshow:Haben Sie auch brav Ihre Werbung geschaut?

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Werbung ansehen und dafür ein Kinoticket bekommen? (Der Kinosaal des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt am Main) (Foto: dpa)
  • Wer sich auf seinem Handy oder Computer über die App Preshow 20 Minuten Werbung ansieht, bekommt dafür ein Kinoticket.
  • Überwachungstechnologie soll verhindern, dass die Nutzer seine App hintergehen.

Von Michael Moorstedt

Man muss Stacy Spikes hierzulande nicht unbedingt kennen. In den USA aber gilt er als derjenige, der der ohnehin darbenden Kinobranche vor ein paar Jahren einen weiteren Tiefschlag versetzte. Die von ihm mitgegründete Ticket-Flatrate Moviepass verspricht ihren Kunden gegen einen geringen monatlichen Betrag eine gewisse Anzahl von Kinotickets. Leidtragende sind die Kinobetreiber.

Mit einem neuen Start-up namens Preshow schmiedet Spikes, der bei Moviepass inzwischen ausgebootet wurde, aber bereits einen weiteren Sargnagel. Die Idee ist relativ simpel. Wer sich auf seinem Handy oder Computer über eine App 20 Minuten Werbung ansieht, bekommt dafür ein Kinoticket. Gratiskonsum durch den Konsum von Konsumanreizen.

Wenn selbsternannte Trendexperten auf zahllosen Medienkonferenzen immer wieder von der Aufmerksamkeitsökonomie reden, bleibt eine Tatsache meistens unerwähnt: Diese Art des Wirtschaftens ist nicht mehr nur Theorie, sondern existiert in zahlreichen Fällen längst als handfester Tauschhandel. Aufmerksamkeit ist kein abstrakter Wert, sondern eine exakt taxierbare Währung.

Ganz neu ist das Konzept dabei natürlich nicht. Es gibt Dutzende Apps wie Slidejoy oder Fronto, die schon seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer mit barem Geld vergüten. Etwa indem jedes Mal, bevor man das Smartphone entsperren kann, ein Werbespot läuft. Bezahlt wird dann per Amazon-Gutscheinen oder Paypal-Überweisung. Tatsächlich gibt es immer wieder Nachrichtenartikel mit Überschriften, die versprechen, dass man nur durch das Ansehen von Werbung reich werden könne.

Lächerlich geringe Einkünfte

Was dabei meistens unerwähnt bleibt, ist, dass die Einkünfte lächerlich gering sind. Mehr als ein paar Dutzend Euro lassen sich so im Jahr nicht verdienen. Auch auf der Videostreaming-Plattform Twitch lässt sich durch das Ansehen von Werbung eine eigene Währung namens Bits generieren. Für jeden konsumierten Werbespot bekommen die Nutzer etwa zwei bis fünf dieser Bits, deren Gegenwert ungefähr ein US-Cent ist. Auch bei vielen, vermeintlich kostenlosen, Handyspielen kann nur derjenige erfolgreich sein, der in hoher Frequenz Werbespots über sich ergehen lässt.

Zumindest aus Sicht der Vermarkter haben all diese Apps allerdings einen Makel. Nur weil Werbung auf dem Endgerät des Nutzers läuft, heißt das noch nicht, dass er dem Treiben auf seinem Bildschirm auch Aufmerksamkeit schenkt. Hier kommt das Alleinstellungsmerkmal von Preshow ins Spiel. Durch den Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware soll sichergestellt werden, dass der Nutzer auch hinsieht. Wenn das System registriert, dass die Augen nicht genau auf das Display gerichtet sind, pausiert die Anzeige. Nur wer 20 Minuten durchhält, bekommt seine kleine Belohnung. Ein Szenario wie aus einem dystopischen Science-Fiction-Roman.

Gründer Spikes ist sich sicher, dass er durch den Einsatz der Technologie verhindern kann, dass die Nutzer seine App hintergehen. Das Interesse von potenziellen Investoren ist enorm. Das nötige Geld will er auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter eintreiben. Noch läuft die Kampagne, das anvisierte Ziel ist aber bereits ums Vierfache überschritten.

Seitdem Handyhersteller Gesichtserkennung in ihren Geräten anbieten, gab es immer wieder Fälle, in denen es ausreichte, ein Foto des Nutzers vor die Smartphone-Kamera zu halten, um das Gerät zu entsperren. Datenschützer warnen vor solchen Systemen, aber jetzt könnten sie ausnahmsweise nützlich sein. Wäre es nicht schön, ließe sich auch die neue App mit diesem Trick überlisten? Man würde dem Überwachungssystem einfach ein Video gegenüberstellen. Alle Aufmerksamkeit verpufft, und es gibt nur noch Kameras, die auf Bildschirme starren.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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