Netz-Depeschen:Alles wird gut?

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Wie wird das Internet unsere sozialen Beziehungen in Zukunft verändern? In einer Umfrage zeigen sich die User optimistisch. Aber vermehrte Kommunikation schützt nicht vor Einsamkeit.

Michael Moorstedt

In den Debatten, die im Netz geführt werden, geht es eher selten um die Offline-Belange. Rückt das so unscharf definierte Feld der sogenannten Social Media, der sozialen Netzwerke in den Blick, werden die Stimmen besonders laut. Allein auf Twitter gibt es eine mittlere fünfstellige Zahl von Nutzern, die als hauptberufliche Trend-Identifizierer firmieren. Wer das Geschehen wohlwollend verfolgt, kann sich vor guten Ratschlägen kaum retten. Fast scheint es, als hätte sich eine Experten-Kaste aus dem User-Fußvolk herausgelöst, die von Konferenz zu Konferenz eilt und sich mit dem Verdacht der Selbstreferentialität bestens arrangiert hat. Diese Glücklichen haben ihr Early-Adopter-Sein zum Beruf gemacht.

Wie wir das Internet uns beeinflussen, fragten Meinungsforscher des Internet and American Life Projects - zum Guten oder zum Schlechten? Eine dritte Möglichkeit gab es nicht.   (Foto: dpa)

Eine Institution, die vom Verdacht der Geschäftemacherei bedenkenlos frei gesprochen werden kann, ist das Internet & American Life Project der Meinungsforscher vom Pew Research Center in Washington, D.C. In einer Langzeituntersuchung orakeln die Statistiker seit mehr als vier Jahren über die Zukunft des Internet. In der am vergangenen Freitag veröffentlichten Untersuchung fragten die Mitarbeiter des Projekts: Wie wird das Internet in den nächsten zehn Jahren die sozialen Beziehungen seiner Nutzer verändern? Eher zum Guten oder eher zum Schlechten? Eine dritte Antwortmöglichkeit gab es nicht.

Die bei einer grob geschätzten Zahl von weltweit knapp anderthalb Milliarden Internetnutzern wohl kaum repräsentative Stichprobe rekrutierte man aus den oberen Etagen von Firmen wie Google, Microsoft oder Yahoo. Zunächst sprachen sich 85 Prozent für einen positiven Effekt aus.

Wenn man den qualitativen Teil der Studie betrachtet, ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild. Denn wer es einmal schafft, als Privatperson zu denken, dem fällt dann offenbar doch Negatives ein: die Erosion der Privatsphäre etwa oder die zunehmende Unverbindlichkeit der Kommunikation. Gerade soziale Netzwerke und Emails werden höchst ambivalent bewertet. Ebenso wie es den freien Austausch von Meinungen und Wissen erlaubt, kann das Internet auch als Instrument zur ideologischen Isolation gebraucht werden. Online funktioniert das schließlich noch besser als in der Kneipe. Eine Ignore-Funktion, die abweichende Sichtweisen ausblendet, gibt es nicht.

© SZ vom 05.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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