Berlin:Rammstein trotz Protests gefeiert: Lindemann verändert

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Rammstein Fans gehen zum Konzert der Band Rammstein im Olympiastadion in Berlin. Am Samstag findet das erste von drei Rammstein-Konzerten im Berliner Olympiastadion statt. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Nach Wochen heftiger Diskussionen um Aftershowpartys und Umgang mit Frauen steht Rammstein zum Heimspiel in Berlin auf der Bühne. Sänger Till Lindemann erscheint beim Auftritt verändert.

Von Gerd Roth, dpa

Berlin (dpa) - „Wir sind wieder zu Hause! Danke, Berlin!“ Beim Abschied vom Publikum nach gut zwei Stunden Konzert spielt Rammstein-Sänger Till Lindemann auf den Heimstatus der Berliner Band an. Mehr als 60 000 Menschen feiern die sechs Musiker am Samstagabend beim ersten von drei Berlin-Konzerten während der laufenden Stadiontour durch Europa mit frenetischem Applaus. Die wegen der eindrucksvollen Pyrotechnik sehr komplizierte Show lässt kaum Abweichungen im Programmablauf zu. Und doch ist einiges anders bei diesem Auftritt.

Vor dem Konzert kommt es wegen der Vorwürfe gegen Lindemann zu Protesten. Vor dem Olympiastadion fordern nach Polizeiangaben rund 300 Menschen ein Verbot der Veranstaltungen. Abgesehen von einigen verbalen Scharmützeln kommt es dabei zu keiner Konfrontation zwischen den vielen Fans und den lautstark Demonstrierenden. Polizei und Sperrgitter sorgen für eine deutliche räumliche Trennung.

Im Stadion selbst ist die Sicherheit nach Angaben aus dem Umfeld der Band in vielen Bereichen erhöht worden. Mehr Personal in reflektierenden Warnwesten, aber auch unauffälligem Zivil soll befürchtete Übergriffe verhindern. Die komplizierte Technik wird ebenfalls zusätzlich geschützt, die an mehreren Stellen platzierten Türme für Lautsprecher und Pyrotechnik werden zudem streng bewacht.

Lindemann wirkt deutlich zurückhaltender als noch vor einem Jahr im Berliner Stadion. Rufe wie „Ich will eure Titten sehen“ sind diesmal von dem 60-Jährigen nicht zu vernehmen. Bei vielen Liedern lässt er das stets textfeste Publikum allein singen.

Besonders auffällig wird es etwa beim Song „Ich will“: Lindemann lässt die Textzeile „Wir woll'n, dass ihr uns alles glaubt“ aus. Die Fans singen es für ihn und scheinen mit lautem Szenenapplaus den Sänger stützen zu wollen. Manche reagieren auch mit Spruchbändern, auf denen etwa „Wir halten zusammen!“ zu lesen ist.

Bei „Ohne dich“ deutet Lindemann zur Textzeile „in den Gräben ist es nun still und ohne Leben“ mit ausholender Bewegung in den Bereich direkt vor der Rammstein-Bühne. Dort in der inzwischen berüchtigten „Row Zero“ tanzten noch vor wenigen Wochen Gruppen meist sehr jungen Frauen.

Mehrere Frauen haben - teilweise anonym - Vorwürfe gegen Lindemann erhoben. Sie schildern als beängstigend empfundene Situationen. Bei Aftershowpartys soll es demnach auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein.

Lindemann weist Vorwürfe gegen ihn zurück. Seine Anwälte verweisen auf Behauptungen in sozialen Netzwerken, Frauen seien bei Konzerten „mithilfe von K.-o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr“.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingeleitet. Bei Verdacht auf eine Straftat muss sie ermitteln. Auch Medienberichte können dafür der Auslöser sein. Bis zum Abschluss der Ermittlungen gilt die Unschuldsvermutung.

Frontmann Lindemann, die Gitarristen Richard Kruspe (56) und Paul Landers (58), Bassist Oliver Riedel (52), Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz (56) und Schlagzeuger Christoph Schneider (57) leben in Berlin. Die sechs Musiker fanden hier 1994 zusammen und haben sich seitdem mit ihrem harten Sound zur international erfolgreichsten deutschen Band entwickelt. Für die Berlin-Konzerte an diesem Sonntag und am Dienstag (18. Juli) sind ebenfalls mehr als 60.000 Tickets verkauft.

© dpa-infocom, dpa:230716-99-419383/3

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