Wenn Violinen die Tonleiter hinabschwirren und dissonante Akkorde erklingen, hören wir die Gefahr, ohne sie zu sehen. Doch was passiert, wenn Bild und Ton auseinanderbrechen? Wenn jemand Sex mit einer Leiche hat - und dazu sentimentale Pianomusik plätschert? "Das macht die Sache noch viel schlimmer", sagt der Berliner Horrorfilmregisseur Jörg Buttgereit. In seinem Film "Nekromantik" (1987) bringt er zwei Dinge zusammen, die für ihn zusammengehören: Sex und Tod. "Diese Bilder sind nicht schön", so Buttgereit. Und dazu habe er bewusst Musik eingesetzt, die nicht zum Bild passe und "falsche Gefühlsregungen" hervorrufe. "Dieser Bruch löst Unsicherheit und Irritation aus. Der Zuschauer ist auf sich selbst zurückgeworfen."
In seinen Independent-Produktionen arbeitete Buttgereit mit Laienschauspielern. Um deren schauspielerische Mängel auszugleichen, "war es notwendig, Musik drüberzuknallen", sagt der 50-Jährige. Befreundete Punkrock-Musiker lieferten die gewünschte Klangfarbe, "damit habe ich alles zugekleistert."
Dabei kam ihm die Idee, dass auch eingängige Melodien unheimlich klingen können, sobald man sie mit verstimmten Instrumenten spielt. So quietschen in "Nekromantik" oder "Der Todesking" (1989) verstimmte Geigen. In seinem Theaterstück "Captain Berlin vs. Hitler" (2009) ließ Buttgereit ein Mädchen die deutsche Nationalhymne flöten, obwohl oder gerade weil es nicht richtig Blockflöte spielen konnte.
Spielwiese für Außenseiter und Randfiguren
Der Berliner Filmemacher stellt Hör- und Sehgewohnheiten auf den Kopf und enttäuscht das Verlangen nach einer klaren Aussage. "Das setzt Denkprozesse in Gang", sagt Buttgereit. Der Horrorfilm war schon immer ein Raum für Subversives und Unkonventionelles, eine Spielwiese für Außenseiter und Randfiguren. Auch, was die Musik betrifft.
Seit 1993 hat Buttgereit nur noch Musikvideos, Theater- und Dokumentarfilme gedreht. Mit "Final Girl", einem Teil des Episodenfilms "German Angst", der im kommenden Jahr in die Kinos kommen soll, kehrt er nun ins Horrorfilmgeschäft zurück. Er erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das mit seinem Meerschweinchen in einer heruntergekommenen Berliner Mietwohnung lebt, während im elterlichen Schlafzimmer ein gefesselter und geknebelter Mann liegt.
"Das Mädchen bekommt, ganz klassisch, ein unschuldiges Klavierthema", sagt Buttgereit, "eine Melodie, die aber suggeriert, dass etwas nicht stimmt." Genau darin besteht nämlich die große Kunst der Horrorfilmmusik. Wenn ein Mädchen in das Schlafzimmer der Eltern schleicht, wenn ein Junge wie Danny auf dem Boden kniet und Spielzeugautos über den Teppich fahren lässt, dann muss das Unheil bereits zu hören sein: misterioso.