London/Frankfurt (dpa/tmn) - Wie ist es möglich, dass der Fischerhut zu einem der angesagtesten Modeaccessoires geworden ist?
Moment, ganz kurz: Wenn Sie den Hut mit der umschlagbaren Krempe in erster Linie mit Anglern und Fischern in Verbindung verbringen, haben Sie etwas verpasst. Der Bucket Hat - so die englische Bezeichnung - ist allgegenwärtig. Man sieht ihn in den Straßen jeder Stadt, auf den Köpfen von Promis und Influencerinnen, in der Werbung, überall.
Nahezu jede Modemarke verkauft den Hut, als Fast Fashion für ein paar Euro, aber auch im Luxussegment für 300 Euro. Tragbar ist der Hut zu beinahe jedem Casual-Outfit und damit ziemlich universell einsetzbar. Und zwar sowohl für Frauen als auch für Männer. Und Kinder sowieso.
Ein Klassiker ist wieder zurück
Für den britischen Hutmacher Stephen Jones aus London verkörpert der Bucket Hat eine bestimmte „kalifornische Freiheit“ - und damit nicht weniger als ein Lebensgefühl. „Ich denke, er verleiht eine coole Haltung, die die Essenz von Herren- und Damenmode vereint.“
Jones weiß, wovon er spricht. Er ist eine Hutmacher-Legende und er hat 2019 die Bucket Hats für die Luxusmarke Dior designt. „Maria Grazia Chiuri bei Dior wollte einen Hut, der von jedem modischen Mädchen auf der ganzen Welt getragen werden konnte“, erzählt er. „Sie suchte nach etwas sehr Einfachem, Tragbaren, aber sehr Stylishen.“ Das Ergebnis war ein Bucket Hat. „Es war der Hit der Saison.“
Der Siegeszug des Bucket Hats hält also schon seit ungefähr drei Jahren an. Spätestens 2021 galt er vielen modeaffinen Menschen als ein Must-Have-Teil. Wer modisch etwas auf sich hielt oder mit der Zurschaustellung von Kleidung Geld verdiente, setzte den Hut auf.
Superstars wie Rihanna und Billie Eilish trugen zur Popularität des Bucket Hats bei. Kürzlich brachte Oleh Psiuk, Frontmann der ukrainischen Band Kalush Orchestra, die den Eurovision Song Contest gewann, den überaus beliebten Hut wieder einmal ins Rampenlicht.
Ein Hut für Fischer, Soldaten, Rapper und Raver
Wie praktisch jeder Modetrend ist der Bucket Hat keine neue Erscheinung. Er wurde wiederentdeckt. Doch seine Geschichte ist tatsächlich außergewöhnlich. Fischer und Jäger trugen den Hut schon im 19. Jahrhundert, als Sonnen- und Regenschutz. Später wurden auch Soldaten damit ausgerüstet, zum Beispiel in Israel.
Seine erste große Blütezeit hatte der Hut in den 1980er und 1990er Jahren. „Die Raver, Rapper und Popper trugen ihn“, erzählt Andreas Rose, Stil- und Modeberater aus Frankfurt. „Auch ich als Popper habe damals einen solchen Hut getragen.“ Der Hut war endgültig in der Welt der Fashion angekommen, nicht mehr bloß praktisches Utensil.
Unter den Hip-Hop-Künstlern waren es etwa LL Cool J und die Pioniere von Run-DMC, die den Bucket Hat bekannt machten - und ihn aus seinem ursprünglich eher bürgerlichen Milieu in die Street Wear überführten. Bekannte Marken waren damals Kangol und Stüssy. Auch die Raver und Boybands der 1990er-Jahre entdeckten den Hut für sich.
Der Bucket Hat avancierte seinerzeit zum Klassiker. Dann verdrängten ihn Beanies und Kappen - bis zu seiner nächsten großen Wiederentdeckung. Nun sieht es aus, als wäre der Fischerhut gekommen, um zu bleiben.
Praktisch, stylish, beliebig kombinierbar
Für Andreas Rose liegen die Vorteile auf der Hand. „Der Bucket Hat ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber super praktisch“ - was man nicht über alles Modische sagen kann. „Er schützt vor Sonne und Hitze. Man kann ihn anziehen, wenn die Haare mal nicht gemacht sind.“
Außerdem lasse sich der Hut zu jedem Outfit kombinieren. „Ich mag Stilbrüche“, sagt Rose. So lasse sich etwa ein unifarbener Hut zu einem Kleid mit Blumenmuster tragen. Auch ein Muster-Mix sei möglich. „Es kommt immer darauf an, wie mutig man modisch ist.“ Wer eher zurückhaltend unterwegs ist, greift zu einfarbigen Modellen.
„Der Hut lässt sich gut mit Mom Jeans oder Dad Sneakern kombinieren“, sagt Rose und gibt noch einen Tipp für die richtige Kombination: Ein Teil des Outfits sollte die Farbe des Huts aufgreifen.
Doch im Grunde kann man mit einem Bucket Hat wenig falsch machen, was mit Sicherheit zu seiner Beliebtheit beiträgt. Wichtig ist nur: Der Hut sollte zur Persönlichkeit des Trägers passen, findet Rose - und nicht umgekehrt.
Die eine Styling-Regel: Der lockere Sitz
Wobei, eine Sache gibt es noch zu beachten: Der Bucket Hat ist ein betont lässiges Accessoire. „Er muss locker sitzen und darf nicht zu eng am Kopf anliegen“, sagt Rose. Auf keinen Fall sollte er spannen.
Rose rät auch dazu, auf das Material zu achten. „Im Sommer empfiehlt sich kein Polyester. Lieber zu Baumwolle oder Bast greifen.“ Wichtig bei Modellen für Frauen: „Je länger die Krempe des Hutes, umso eleganter. Je kürzer die Krempe, umso sportlicher.“
Aus Sicht des Modeexperten ist der Bucket Hat alterslos. „Ein 70 Jahre alter Herr, der gerne angeln geht, kann ihn genauso gut tragen wie ein 16-Jähriger mit Plateauschuhen.“ Was den Hut natürlich furchtbar sympathisch macht. „Manche Angler, die mit dem Hut fischen gehen, wissen gar nicht, dass er ein stylishes Accessoire ist.“
Das ist vielleicht das Schönste am Fischerhut: Er ist cool, ohne dass er je hätte cool sein wollen. Und damit im besten Sinne entspannt.
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