Nachruf:Gefallener Geldgott

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Alberto Vilar in Mäzenatenpose 2001, als er noch jede Menge Geld hatte und neben Opernhäusern in aller Welt auch Einrichtungen wie das Columbia Presbyterian Neurological Institute in New York finanzierte. (Foto: Rrichard Drew/AP)

Der amerikanische Mäzen Alberto Vilar ist gestorben. Er war der spendabelste Opernliebhaber, den die Klassikwelt je sah, aber auch ein verurteilter Betrüger.

Von Reinhard J. Brembeck

Geld kann man nie genug haben. Das gilt auch und besonders für die Macher klassischer Musik, selbst die Salzburger Festspiele machen da keine Ausnahme. Die finanzieren sich, im Gegensatz zu den meisten Opernhäusern und Orchestern, zu einem großen Teil über den Kartenverkauf. Aber das genügt nicht, um ein welterstklassiges Programm auf die Beine zu stellen, das die Klassikfreunde selbst aus den USA, Russland und Japan lockt. Deshalb sind Sponsoren und Mäzene ausnehmend wichtig, die Geld geben, ohne sich in die Programme einzumischen. Zwischen 1999 und 2002 erhielten die Salzburger Festspiele von einem dieser Mäzene sechseinhalb Millionen US-Dollar. Das war die größte Spende einer Einzelperson, die das 1920 gegründete Festival je bekommen hat. Diese gewaltige Summe hatte der später als Betrüger verurteilte Alberto Vilar spendiert, ein Opernmaniac der Sonderklasse, der sein Geld seinerzeit überspendabel an alle großen Opernhäuser von New York über London bis Petersburg verteilte, die Rede ist von mehr als 200 Millionen Dollar insgesamt.

Vilar, er ist am vergangenen Samstag im Alter von 80 Jahren in New York gestorben, war kein stiller oder uneitler Wohltäter. In jedem Programmheft der Salzburger Festspiele prangte damals sein Foto samt Huldigungsadresse. Für die schon damals heftig von Geldsorgen geplagten Intendanten der Welt war er der Messias. Der Met in New York gab er zwölf Millionen, Valery Gergievs Kirov-Theater in Petersburg angeblich 14 Millionen. Er war an der Rettung des Festspielhauses in Baden-Baden beteiligt, unterstützte aber auch Universitäten und vieles andere mehr.

Nach seiner Verurteilung war Vilar plötzlich peinlich. Die ihn vorher schamlos hofiert hatten, wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben

Jedem, dem klassische Musik (fast) so viel wie das eigene Leben bedeutet, leuchtet so ein großzügigen Verhalten unmittelbar ein. Die meisten Klassikfreunde aber haben für solch einen Lebensstil nicht die nötigen Mittel. Vilar, 1940 in Newark, New Jersey, geboren und ein umschwärmter Junggeselle, hatte sie. Zumindest eine Zeit lang. Der Mann war nämlich Börsenspekulant und hatte mit einem Compagnon 1979 eine eigene Firma gegründet, mit der er in der Hochzeit der Internetblase 1999 eine Rendite von 249 Prozent erzielt haben soll. Danach ging es bergab. Vilars einst auf eine Milliarde Dollar geschätztes Vermögen schmolz weg. Darauf hielt der Mäzen Zusagen für weitere Spenden nicht ein. Etliche Projekte mussten eingestellt werden oder wurden, wie in Salzburg das Haus für Mozart, von anderen Sponsoren finanziert.

In Salzburg, London und New York fiel er deshalb in Ungnade, sein bis dahin stolz präsentierter Name wurde aus Hallennamen und Programmzetteln gelöscht, die damnatio memoriae, die schon zur Pharaonenzeit geübte Auslöschung missliebiger Personen aus dem kollektiven Gedächtnis, konnte plötzlich nicht gründlich genug gehen. Vilar war nun peinlich, und alle, die ihn einst schamlos hofierten, wollten mit dem gefallenen Geldgott nichts mehr zu tun haben. Doch es kam noch schlimmer. Alberto Vilar wurde verhaftet und 2010 zu neun Jahren Haft verurteilt, weil er Gelder seiner Kunden veruntreut haben soll.

Und die Moral von der Geschicht? Die Causa Vilar zeigt aufs Schönste, dass die Klassik sich zwar gern als eine den irdenen Garstigkeiten entrückte Welt präsentiert, in Wirklichkeit aber ein hart umkämpfter Markt ist, in dem das Geld regiert. Das war schon immer so und wird auch so bleiben und beschädigt den ästhetischen Wert der Meisterwerke in keinem Punkt. Die Causa Vilar aber könnte durchaus noch einmal die Klassikszene beschäftigen. Franz Hummel hat Ludwig II. in einem grandiosen Musical besungen, Mark-Anthony Turnage das (Erotik-)Model Anna Nicole Smith in einer überwältigenden Oper verewigt und Bernhard Lang gerade Donald Trumps Operntauglichkeit bewiesen. Es wäre also kein Wunder, dass, während dieser Nachruf entsteht, schon in irgendwelchen Komponisten- und Librettistenhirnen der Plan zu einer großen Vilar-Oper reift. Denn Vilars Leben liefert den idealen Plot, der viel übers Klassikgeschäft und die Gier ihrer Macher verrät.

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