"Lunana" von Pawo Dorji aus Bhutan im Kino:Strafversetzt im Himalaja

Lesezeit: 2 min

Lehrer in der entlegendsten Bergschule der Welt ist kein schöner Job. Oder doch? Filmszene aus "Lunana". (Foto: Kairos Film)

Der Oscar-Beitrag "Lunana" aus dem bergigen Königreich Bhutan zeigt den Frust eines Dorflehrers - und hinterfragt den Slogan vom vermeintlich glücklichsten Land der Welt.

Von Sofia Glasl

Das Grundrecht auf Glück ist eine ernste Sache im kleinen Königreich Bhutan. Die Regierung des Landes, das eingeklemmt zwischen China und Indien im Himalaja liegt, ermittelt hier alle fünf Jahre das "Bruttonationalglück" - und vermarktet das Land als den glücklichsten Ort der Welt.

Für den jungen Lehrer Ugyen ist der landeseigene Index nur noch ein Slogan auf seinem T-Shirt. "Gross National Happiness" steht da. Sein eigenes Glück ist in Gefahr, er tritt mit Leidensmiene vor seine Chefin. Er sei für den Beruf des Lehrers nicht geschaffen, seine geplante Versetzung in den entlegenen Himalaja wegen seiner Höhenangst nicht möglich. Die Beamtin raunzt ihn entnervt an - er habe kein Höhenproblem, sondern ein Einstellungsproblem. Dann schickt sie ihn für ein Jahr in ein Bergdorf. Ugyens Traum von der Karriere als Sänger in Australien muss warten.

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Der Drehbuchautor und Regisseur Pawo Choyning Dorji ist sich bewusst, dass er in seinem Debüt "Lunana. Das Glück liegt im Himalaya" die klassische Geschichte einer Bekehrung zur Genügsamkeit erzählt. Doch gelingt es ihm bei aller Vorhersehbarkeit, diese Story mit liebenswürdigen Figuren und Witz zu füllen. Auf dem sechstägigen Fußmarsch zu seiner neuen Schule stapft Ugyen missmutig den Bergpass in das Dorf Lunana hinauf und wendet sich unhöflich mit lauter Musik auf den Kopfhörern von seinen Begleitern ab. Die Yak-Hirten begegnen ihm jedoch mit so viel Freude über seine Ankunft, dass er beinahe wie ein bockiges Kind wirkt. Sie witzeln, dass er als Ehrengast sogar Klopapier bekäme, während sie sich mit trockenem Laub begnügten.

Strom gibt es hier oben nur, wenn die Sonne scheint

Dorji und sein Kameramann Jigme Tenzing bleiben bei Ugyens Perspektive und vermeiden die Klischees majestätischer Postkartenmotive aus dem Himalaja. Beim Anblick matschiger Bergstraßen, verregneter Hänge und eines von Nebel umwehten Passes kann Ugyen sich kaum vorstellen, hier ein Jahr zu bleiben. Obendrein gibt es auf beinahe 5000 Metern Höhe keinen Handyempfang und Strom nur, wenn die Sonne scheint. Um den kleinen Ofen in seiner Hütte zu befeuern, muss er regelmäßig Yak-Dung sammeln und trocknen, denn Holz oder gar Papier sind ein Luxus, den sich die Dorfbewohner nur selten leisten können.

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Klar, Ugyen freundet sich mit dem einfachen Leben an, und als der Akku seines iPods endgültig leer ist, hilft ihm der Gesang einer Yak-Hirtin nicht nur über die musikalische Flaute hinweg, sondern auch, an die Traditionen des Dorfes anzuschließen. Hinter diesem Märchen vom einfachen Leben, die "Lunana" natürlich auch erzählt, steckt allerdings mehr als die westliche Verklärung des Digital Detox, diese Sehnsucht nach der Entgiftungskur von allen Reizen der digitalen Moderne.

Für Regisseur Dorji steht Ugyen stellvertretend für die junge Bevölkerung Bhutans, die fragt, was für sie bleibt in einem Agrarstaat, der hin- und hergerissen ist zwischen religiösen Traditionen und digitaler Zukunft. Kann ein Land, das international abgehängt zu werden droht, sich weiterhin als glücklichsten Ort der Welt bezeichnen? Auch ohne Internetzugang sieht der Dorfvorsteher Asha diese Frage letztendlich realistischer, als Ugyen erwartet hat. Einer seiner esoterisch anmutenden Merksätze wirkt regelrecht pragmatisch. Die Kinder sollten die Möglichkeit bekommen, mehr zu werden als Yak-Hirten oder Heiler, sagt Asha. Als Lehrer könne Ugyen ihnen dabei helfen, er berühre die Zukunft. Langsam dämmert Ugyen, dass damit vielleicht auch seine eigene Zukunft gemeint sein könnte.

Lunana: A Yak in the Classroom , Bhutan 2019 - Buch und Regie: Pawo Choyning Dorji, Kamera: Jigme Tenzing. Mit: Sherab Dorji, Kelden Lhamo Gurung, Pem Zam. Kairos Filmverleih, 110 Minuten. Filmstart: 13.01.2021

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