Konzert:Anleitung zur Selbstliebe

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Stefan Raab machte sie berühmt, doch der Stress hinterließ Spuren bei Stefanie Heinzmann. Nach einer Auszeit kehrt die Schweizer Sängerin mit neuer CD zurück - ihre Botschaft: "Ihr seid toll!"

Von Michael Zirnstein

Aufmerksame Medienbeobachter können sich Stefanie Heinzmann in keinem anderen Berufsfeld als dem Showgeschäft vorstellen. Zumindest seit sie als erste Schweizerin ein deutsches Popstar-Casting gewonnen hat, 2007/2008 war das unter dem Schirm von Stefan Raab. "Da war ich 18, sah aus wie ein Emo-Junge mit schwarzen Fingernägeln und Brille", erinnert sie sich, "das war wohl erfrischend für die Leute". Auch die starke, strahlende Stimme fiel auf, und wer sang damals als junge Frau schon Soul und Funk aus der Klamottenkiste von Tower Of Power? So blieb sie hängen - wie nur wenige aus der Casting-Welt. Mit der Erwartung ins Fernsehen zu gehen, berühmt zu werden, sei naiv, sagt sie, aber so lernte sie Leute aus dem Business kennen, mit der Kamera umzugehen und unter Druck in drei Minuten einen Song rauszuhauen.

Gegen eine "hassfixierte Gegenwart" hilft nur eins: Liebe! Davon ist die 30-jährige Stefanie Heinzmann überzeugt. (Foto: Südpolmusic)

Vom Erfahrungswert her kann sie derlei Vorsingsendungen also empfehlen, gelegentlich sieht man sie nun selbst als Jurorin oder Mentorin in Formaten wie "Popstars" oder "Kika - Dein Song". Sie hat ihr Tätigkeitsfeld erweitert, stürzte sich der "Wok-WM" den Eiskanal hinab, moderierte charmant eine Reisereportage über Neuschottand, synchronisierte im Zeichentrickfilm "Pets" ein Hunde-Frauchen, spricht sich selbst als "Ökotante" in der Radiositcom der "Promi-WG" auf Bayern 3. "Ja, das kann ich schon machen", sagt sie, "solange ich so sein darf, wie ich bin - ich bin eine schlechte Schauspielerin."

Das ist die erstaunliche Entwicklung von einer, die, obwohl sie von der Pubertät an "etwas verdruckst" in Schülerprojekten und Bands wie Big Fish sang, nach dem Abitur erwog, Sekretärin zu werden: "Buchhaltung kann ich ganz gut." Sie komme aus dem Dorf, sei einfach gestrickt, familiär, bodenständig, "ich erwarte nicht viel vom Leben. Dass das Schicksal mich dann dahin geschickt hat, finde ich abgefahren." Doch als sie mit 18 die Chance bekam, Pop-Profi zu werden, rebellierte der Körper, sie musste den Rücken und die Stimmbänder operieren lassen. Zehn Jahre später kam der Stress wieder: Terminplan voll, Kopf leer, die Seele geplagt. Sie zog sich nach Hause ins Wallis zurück, schlief viel, meditierte, überlegte, beruflich andere Stärken einzusetzen: ihre Hände als Schreinerin oder ihr großes Herz als Hebamme. Nach drei Monaten probte sie mal wieder mit ihrer treuen Band seit Anfangstagen - und beim ersten Funk funkte es wieder und sie merkte: "Ja, das will ich, ich liebe es einfach, Musik zu machen, mir fiel ein Stein vom Herzen."

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In der Auszeit fand sie nicht nur zur alten Schaffenskraft zurück und stemmte 50 Songwriter-Sessions mit Kollegen von London bis Stockholm für das neue Album, sie fand auch ihre ureigene Superkraft wieder: "Liebe", ihr Gegengift gegen eine "hassfixierte Gegenwart". Sei sei nicht gut darin, politische Statements hinauszuposaunen, sie könne ihre Botschaft nur durch "reines Vorleben" vermitteln. Es geht ihr um Frauenrechte ("Der Kampf ist erst geschafft, wenn es nicht mehr heißt: als Frau, als Mann, als Schwuler, als Lesbe ...") und um Selbstliebe - der Schlüssel zu allem. Es gebe da die "Stiffelies", das sind ihre Fan-Mädchen. "Die sind genau in der Phase, in der ich meine großen Selbstzweifel hatte: Ich fand mich blöd, meine Stimme peinlich, meinen Hintern zu dick. Ich sage ihnen: Ihr seid toll." Um das alles geht es auf dem fünften Album "All You Need Is Love", auf dem sie sich mit den Worten zurückmeldet: "Hello, it's me again / Sorry I took so long." Ob nun in dem von DJ Alle Farben elektronisch angeschunkelten "Build A House" oder in der Liebeserklärung "Mother's Heart", man spürt diese wiederentdeckte Selbstliebe tatsächlich. Sie steht zur Kopfstimme, die ihr früher zu dünn erschien, ebenso wie zur kraftvollen Soul-Röhre, ist mal laut und ungezogenes Kind, mal schwach, mal starke Frau. Alles andere als Sängerin zu sein, wäre bei Stefanie Heinzmann eine verschwendete Gabe.

Stefanie Heinzmann , Donnerstag, 28. November, 20 Uhr, Technikum

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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