Gleich am Anfang Hammerleistung: das gesamte lyrische Ich in gerade mal vier Takte gepackt. Erster Song, erste Zeilen: "Stafford Dogs ohne Halsbänder / Versace-Kissen als Schalldämpfer / Natural Born Killas, Alpha-Männer / dein Kopf wird zum Salzspender". Alles gesagt. Stark. Führt aber auch zu der Frage: Was kann danach noch kommen? Dazu gleich mehr.
Kollegah hat sich in dem inzwischen doch prall gefüllten Figurenkabinett namens Deutschrap seit jeher als eine Art Designer-Zwirn-beschneiderter Mafia-Boss-Muskelberg mit arg großen Zigarren und einer Prise Übermensch-Gehabe positioniert. Es gab über die Jahre hochambitioniert detaillierte Gewaltfantasien ("Ich lass' dich tot da liegen / Verbrenn' deine Großfamilie / und sie passt in 'ne fuckin' Zwei-Quadratmeter-Bootskajüte"). Ein bisschen Dealer-Pose ("Hab' Weedpacks und Weißes im Handschuhfach verstaut / Die Handschusswaffe schaut aus der Anzugsjacke raus"). Und, das sollte man nicht verschweigen, technisch herausragende Reime. Nur zwei Lieblingsbeispiele aus denselben Songs: "Du hast Rauschgift bei? Ich nehm' gern ma' 'ne Probe! / Doch find' die haut nicht rein wie Seals Dermatologe". Und: "Bin kein britischer Lord, doch geb' mein' Dienern Schellen / Wenn sie sich nicht vorm Sir verneigen wie Riesenwellen".
Immerhin wurde seinetwegen der Echo abgeschafft
Halt! Die letzten beiden Zeilen noch mal lesen und dabei das phonetisch ähnliche Wort "Surfer" an der richtigen Stelle einsetzen. Ja, so gut kann Kollegah sein.
Und so steinblöd. Immer wieder kokettierte der Rapper, der eigentlich Felix Blume heißt und mal ein paar Semester Jura studiert hat, mit dummdreistem Antisemitismus. Bisheriger Höhepunkt war der Song "0815" vom Kollaborationsalbum "Jung, brutal, gutaussehend 3" (2017), auf dem Farid Bang die Zeile "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" rappen durfte. Es gab viel Kritik, wenig Einsicht und, weil der Preis hirnlos nur nach Verkaufszahlen vergeben wurde, 2018 einen Echo. Der Echo wurde daraufhin abgeschafft (immerhin). Kollegah blieb und hat jetzt ein neues Album.
Es heißt "Natural Born Killas" und es steht vor dem alten Problem, das irgendwann auch die größten Zündler einholt: Kollegah hat inzwischen alle Provokationsstufen durchgespielt. Antisemitismus ist, um in seinem Jargon zu bleiben, in Deutschland nun mal der Endgegner. Heißt, und damit zurück zum Anfang: Danach kommt eben nichts mehr.
Der Rapper Asche, der für die Straßen-Glaubwürdigkeit diesmal als Kollaborationspartner dabei ist, versucht es auf dem Song "Ayayayay" noch mit etwas Selbstjustiz-Gefasel: "Ich bilde Kids aus zum Kickboxer-Kämpfer / Und schick' sie auf die Jagd nach diesem Christoph Metzelder". Ansonsten gibt es weiterhin austauschbar Trauriges aus einer Welt, in der die Männer entweder Opfer sind oder Überlegene, Alpha oder Lauch. Und die Frauen Huren. Die Songs heißen "Wir sind die Täter" oder "Gladiator", simulieren, inzwischen etwas hilflos, Underdog-Attitüde ("Ich mach Rap noch immer Ghetto") und haben dabei überraschend schwache Stangenwaren-Beats.
Will sagen: Kollegah ist endgültig zu seiner eigenen Nummernrevue geworden. Eine Art Hantelbank-Haftbefehl also - ohne den Schmerz, der den Offenbacher Rapper so verflucht packend macht. Oder, um die aktuell etwas wirkmächtigere Referenz (vulgo "Alpha-Täterin") zu bemühen: eine Testosteron-auftrainierte Lisa Eckhart mit viel Körperbehaarung. Ayayayay.