Kino:Ist "The Boss Baby" eine Parodie auf Donald Trump?

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Es ist gierig, ruft "You're fired!" und spricht mit der Stimme von Alec Baldwin. Das "Boss Baby" aus dem neuen Animationsfilm erinnert extrem an den US-Präsidenten. Ist das Zufall?

Von Kathleen Hildebrand

Man kann sich kaum wehren gegen den Gedanken, dass "The Boss Baby" eine Parodie auf Donald Trump sein muss. Was sonst kann eine gierige, unhöfliche Figur im Anzug mit winzigen Händen sein? Ein Baby, das auf Fotos nicht lächeln möchte, weil es dadurch "schwach wirkt". Das mit Alec Baldwins Stimme, also der des wichtigsten Trump-Parodisten, spricht? Und das mit dieser Stimme auch noch "You're fired!" ruft. Genau die Worte, mit denen Trump früher Kandidaten aus seiner Castingshow The Apprentice geschmissen hat. Hinzu kommt, dass eine der momentan beliebtesten Pointen von Late-Night-Moderatoren Trump die Aufmerksamkeitsspanne "eines Babys" diagnostiziert.

Der neue Animationsfilm aus den Werkstätten von Dreamworks, der gerade in die Kinos gekommen ist, löst so eindeutig wie kein anderer jenen Trump-Reflex aus, den man seit vergangenem November überall beobachten kann, wo Kultur professionell betrachtet wird. Alles wird auf Trump bezogen. Es kann derzeit kein Buch erscheinen, keine Serie ins Fernsehen kommen und kein Popkonzert vergehen, ohne dass das Dargebotene abgeklopft wird auf Anspielungen auf Rechtspopulismus, Faktenfeindschaft und den Widerstand dagegen.

Hundewelpen: die größte Bedrohung für den Beliebtheitsgrad der Babys

Und dann kommt dieses Baby mit seinem Aktenköfferchen ins Kino und stellt alle anderen Trump-Interpretationen in den Schatten. Seine Mission: Die Konkurrenz ausschalten. Und das ist nicht so sehr sein eifersüchtiger älterer Bruder, der dieses neue Baby hasst, weil es ihm die Aufmerksamkeit seiner Eltern streitig macht. Der ist nur ein Hindernis. Eigentlich will der Baby-Boss den Plan der Fabrikanten von Hundewelpen durchkreuzen (Babys wie Welpen werden in der Welt des Films in Fabriken produziert). Die nämlich werden immer beliebter bei den Erwachsenen. Beliebter als Babys. "Babys bekommen nicht mehr so viel Liebe wie früher", sagt das Boss-Baby in einer Konferenz mit seinem Baby-Team. "Ich sage euch, wer unser Feind ist: Hundewelpen!"

Was da aus heutiger Perspektive mitklingt, ist natürlich Donald Trumps apokalyptische Inszenierung der eigenen Art (Amerikaner!) als bedrohte Spezies. Und das Feindbild, das er sich ausgedacht hat, um den verängstigten Menschen ein Ventil für ihren Ärger zu geben: Medien, Muslime, Liberale.

Aber ist das Boss-Baby wirklich die Parodie, die es zu sein scheint? Das Problem, gerade wenn man neue Kinofilme aus dem Trump-Blickwinkel betrachtet, ist erst einmal ein ganz praktisches. Filme zu produzieren, dauert sehr, sehr lange. Mehrere Jahre zumeist. Und Animationsfilme? Brauchen noch viel länger. Zu lange, als dass "The Boss Baby" auch nur vom Präsidentschaftskandidaten Donald Trump inspiriert sein könnte. Die Arbeit an dem Film begann schon 2012. Andererseits: Trump ist nicht erst seit seiner Kandidatur ein amerikanisches Popkulturphänomen. Wer die Karikatur eines Chefs zeichnen will, kann sich schon seit Jahrzehnten an ihm bedienen.

"Bloß eine Geschichte über Liebe und Familie"

Der Drehbuchautor von "The Boss Baby", Michael McCullers, bestreitet, die Figur an Trump angelehnt zu haben. Jegliche Parallelen, sagt er im Interview mit dem Hollywood Reporter, seien "totaler Zufall". Ob diese Zufälle ein Geschenk oder ein Albtraum für den Film seien, könne er nicht sagen. Dass er das vor allem nicht sagen will, liegt auf der Hand. Das Etikett der Trump-Kritik könnte die Unterstützer des Präsidenten vom Kinobesuch abhalten. Die Tatsache, dass ausgerechnet Alec Baldwin im englischen Original dem Baby seine Stimme leiht: "ein zusätzlicher, merkwürdiger Zufall". Regisseur Tom McGrath sagt, er habe "bloß eine Geschichte über Liebe und Familie" erzählen wollen.

Die Vanity Fair fand ein ganz anderes Gegenargument für die Trump-Parallelen: "Der hohe Kompetenzgrad dieses Babys zeigt eindeutig: Dieser Film ist wirklich überhaupt keine Trump-Parodie."

Der Film basiert auf einem Kinderbuch der Autorin Marla Frazee über Eifersucht zwischen Geschwistern. "Die Gleichzeitigkeit von Alec Baldwins Trump-Parodien bei Saturday Night Live und von 'Boss Baby' ist unglaublich", sagte sie dem Hollywood Reporter. "Es gibt auf so vielen Ebenen Ähnlichkeiten. Ich persönlich weiß nicht, ob ich mir gewünscht hätte, dass sich das Land in diese Richtung entwickelt. Aber ja, der Widerhall ist unglaublich."

Der Aspekt von "The Boss Baby", den man dringend auf die Trump-Gegenwart beziehen sollte, ist jedoch ein anderer: Der Film analysiert treffend - am Beispiel von Wickelkindern - die archaischen Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie, nach denen auch Trumps irrationale Wut-Tweets funktionieren, mit denen er es immer wieder schafft, die öffentliche Diskussion zu beeinflussen.

In einem der ersten Kurztrailer für den Film liegt das Boss-Baby glucksend auf einem kleinen Teppich. Dann springt es auf und erklärt mit Alec Baldwins Stimme in die Kamera, welches Prinzip seiner enormen Machtfülle zu Grunde liegt: "I poop - they wipe. Wham! I'm the boss." Ich kacke - sie wischen es ab. Und bäm: Ich bin der Boss.

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