Jugendbuch:Im Visier der Stasi

Lesezeit: 2 min

Suza Kolb: Und zwischen uns eine Mauer. Knesebeck-Verlag, 2021. 203 Seiten, 16 Euro. (Foto: N/A)

Erlebnisse einer Dreizehnjährigen aus Westdeutschland bei Verwandtenbesuchen in der DDR

Von Ralf Husemann

(Foto: N/A)

Die DDR gab es 41 Jahre. Das ist erheblich länger als der Zeitraum von Weimarer Republik und "Drittem Reich" zusammen. Gleichwohl ist das Wissen der Deutschen über den "zweiten deutschen Staat" eher dürftig. Schon 2010, gerade 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, meinte jeder dritte Jugendliche in Westdeutschland, die DDR sei "keine Diktatur" gewesen, im Osten war es sogar jeder zweite. Als prominente DDR-Politiker wurden Willy Brandt oder Konrad Adenauer genannt. Dass prinzipiell die Kenntnis über unterschiedliche Herrschaftsformen - Diktatur oder demokratisch legitimierter Staat - auch in nicht eben kleinen Teilen der älteren Bevölkerung nur dürftig ist, zeigen die Demonstrationen gegen die angeblich totalitäre Bundesregierung bei der Bekämpfung der Corona-Epidemie.

Bei dieser Ausgangslage kommt ein Buch wie "Und zwischen uns die Mauer" zum richtigen Zeitpunkt. Der Band der Autorin Suza Kolb, die sich vor allem einen Namen als pferdebegeisterte Kinderbuch-Autorin mit einer bislang schon 19-teiligen Serie ("Haferhorde") gemacht hat, befasst sich diesmal mit den unglaublichen Besonderheiten der deutschen Teilung. Angesprochen sollen möglichst junge Leser zwischen acht und zwölf werden, aber angesichts der gegenwärtigen Verwirrung über Fragen der "Freiheit" würde die Lektüre auch deutlich älteren Lesern sicher nicht schaden.

Die Autorin weiß, wovon sie redet. Die gebürtige Rheinländerin Suza Kolb hatte über ihre aus dem Erzgebirge stammende Mutter Verwandtschaft in der DDR, die sie häufig besuchte.

Sie würden dann nämlich - wie die fiktive 13-jährige Westberlinerin Luisa Hermann 1983 bei einem Besuch ihrer ostdeutschen Verwandtschaft - merkwürdige Dinge erfahren, die offenbar inzwischen weithin in Vergessenheit geraten sind. Dass nämlich selbst scheinbare Lappalien wie das Spielen "systemfeindlicher Musik" (wie die von Udo Lindenberg oder Queen), "nicht systemkonforme Kleidung" (Levis-Jeansjacke) oder gar ein verdächtiger Mickey-Mouse-Comic der "Klassenfeindin" Luisa den molochartigen Überwachungsapparat des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) in Alarmbereitschaft bringen konnten.

Die Autorin weiß, wovon sie redet. Die gebürtige Rheinländerin Suza Kolb hatte über ihre aus dem Erzgebirge stammende Mutter Verwandtschaft in der DDR, die sie häufig besuchte. So erfuhr sie, dass diese im Visier der Stasi standen und der eine Onkel oder die andere Tante auch zur Mitarbeit aufgefordert wurden. Die Fronten verliefen denn auch häufig quer durch die Familien, wie auch in ihrem Buch, in dem ein junges Mädchen ihren zur "Republikflucht" entschlossenen 15-jährigen Bruder verrät, der daraufhin in die "Obhut" eines Jugendheimes gesteckt wird.

Trotz des ernsten Themas ist es Suza Kolb gelungen, im lockeren Ton gleichermaßen die Gedankenwelt der staatstreuen Marietta und ihrer Mitkämpferinnen von der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) anschaulich zu machen wie das allmählich wachsende Entsetzen der ahnungslosen Luisa, besonders als eine alte Nachbarin ihr auch einige Geschichten aus ihrer Familie erzählt. Klar, dass die zarte, aber nicht kitschige Liebesgeschichte von ihr und dem weggesperrten 15-jährigen Uwe, den sie erst wieder nach der Wende treffen wird, dazugehört.

Die Autorin hat sich diese Geschichte offenbar von der Seele geschrieben. Sie sagt selbst: "Die historischen Ereignisse und persönlichen Erlebnisse waren so einschneidend und einzigartig, dass jede einzelne Erinnerung von ihnen es wert ist, bewahrt zu werden - als ein kleines Stückchen des großen Spiegels der Vergangenheit." (ab 13 Jahre)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: