Der nach Kritik des Zentralrates der Juden zurückgetretene Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, bekommt Rückendeckung von ehemaligen Kollegen. "Als Museumsdirektoren, Kuratoren und Fachleute, die für jüdische und nichtjüdische Museen tätig sind, möchten wir unsere Besorgnis über die Angriffe gegen unseren Kollegen Professor Peter Schäfer zum Ausdruck bringen", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung.
Schäfers Rücktritt sei demnach "der Höhepunkt einer in den deutschen Medien seit Längerem geführten Kampagne, die die Arbeit des Museums mit seinen erstklassigen öffentlichen Programmen und Ausstellungen diskreditiert hat". Das Museum habe es sich zur Aufgabe gemacht, als öffentliche Plattform für eine Vielzahl von Stimmen zu dienen und eine Anzahl von Themen divers zu diskutieren, was heute wieder in besonderem Maße vonnöten ist. "Dafür wird es nun abgestraft."
Die Kollegen beschreiben den Judaistik-Experten als "Mann von großer persönlicher Integrität", er sei ein international anerkannter Gelehrter. "Wir sind entsetzt über die unerhörten Angriffe auf seine Person und sein berufliches Wirken. Auf das Schärfste weisen wir die haltlose Anschuldigung zurück, das Jüdische Museum Berlin habe sich unter seiner Leitung zu einer 'nichtjüdischen' oder gar 'antijüdischen' Einrichtung entwickelt."
Damit reagierten die Museumsexperten auf Kritik, die insbesondere vom Zentralrat der Juden in Deutschland kam. Deren Vorsitzender Josef Schuster hatte erklärt, Schäfer habe das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft verloren. Nach dessen Rücktritt hatte Schuster gefordert, das Jüdische müsse mehr Einfluss im Museum haben.
"Alarmierendes Zeichen"
Hintergrund war ein Tweet des Museums vor zwei Wochen. Darin verwies die Presseabteilung auf einen Artikel und damit eine Erklärung von 240 israelischen und jüdischen Wissenschaftlern, die gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages Stellung bezogen hatten. BDS fordert den Boykott Israels, hauptsächlich aufgrund der Besatzungspolitik des Landes.
"Wir sehen Professor Schäfers Abgang als alarmierendes Zeichen für die Verhinderung von Debatten und für die Unterbindung freier Diskussionen, was nicht nur einer der Aufgaben eines gesellschaftlich relevanten Museums sondern auch der jüdisch-traditionellen, konstruktiv-intellektuellen Streitkultur (hebräisch: machloket) grundlegend widerspricht", heißt es dazu in der Erklärung vom Montag.
Dieses Ereignis sei Folge eines breiteren, besorgniserregenden globalen Trends, die Unabhängigkeit von Universitäten, Museen und Kulturinstitutionen durch routinemäßige Eingriffe von Regierungen und Kampagnenorganen einzuschränken oder gar aufzuheben. "Als Museumsfachleute fragen wir uns beunruhigt, was dies für die Zukunft unserer Arbeit bedeuten mag."
Die Unterzeichner fordern Monika Grütters, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, und den Vorstand des Jüdischen Museums auf, "die Einrichtung vor öffentlichen Schmähungen und Angriffen zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fortsetzung ihrer hervorragenden Arbeit in einer offenen Atmosphäre unterstützt werden".
Unterzeichnet haben 58 Direktoren und Kuratoren aus 14 Staaten. Darunter sind unter anderem die Leiter der jüdischen Museen in München und Frankfurt sowie des NS-Dokumentationszentrums München. Auch der Direktor des Jüdischen Zentrums in Oświęcim/Auschwitz in Polen hat diese Erklärung unterschrieben.
Zuvor haben sich neben mehr als 300 jüdischen und israelischen Wissenschaftern auch der Verband der Judaisten Deutschlands und namhafte internationale Talmud-Experten hinter Schäfer gestellt. Bis zum Frühjahr 2020 soll ein Nachfolger für Schäfer an der Spitze des Jüdischen Museums Berlin gefunden werden.