Im Porträt: Adrien Brody:Der Mensch im Superhelden

Lesezeit: 7 min

Adrien Brody war bisher meist der melancholische Antiheld. Nun kämpft er in "Predators" mit nacktem Oberkörper gegen quietschbunte Aliens. Warum? Ein Treffen in Paris.

Harald Hordych

Die Pariser bereiten sich an diesem heißen Sommertag auf den 14. Juli vor. Beim Flanieren ziehen sie die Köpfe ein, denn das Militär probt den Parade-Ernstfall: Düsenjets fegen in strammer Formation in wenigen hundert Metern Höhe über die Champs-Élysées hinweg, als sei der Ausbruch des nächsten Krieges nur noch eine Frage von Minuten. So ein martialisches Bild bietet die französische Hauptstadt nur einmal im Jahr. Aber es passt zu dem amerikanischen Gast, der hier ist, um seinen neuen Film zu vermarkten.

Die Antithese: Der sonst so gefühlvolle Adrien Brody muss es in seinem aktuellen Film mit fiesen Aliens aufnehmen. Ausgerechnet er. (Foto: AP)

Oder passt dieses militärische Getöse zu Adrien Brody am Ende so wenig wie es zur Stadt der Liebe passt?

Adrien Brody war "der Pianist" in Roman Polanskis Film über einen polnisch-jüdischen Klavierspieler. Wladislaw Szpilmann überlebte als Einziger seiner Familie die Vernichtung durch die Nationalsozialisten. Er schrieb eine Biographie darüber. Das Gesicht, das die Filmindustrie dafür fand, war das Gesicht Brodys, eines jungen Schauspielers, der im New Yorker Stadtteil Queens aufgewachsen war. Brody spielte den Pianisten überwältigend glaubwürdig.

Das Melancholische, das Zurückgezogene, das Empfindsame, das Schüchterne, die Unfähigkeit, sich im tätigen Leben einzumischen: All das zeichnete dieses Porträt aus. Die Academy of Motion Pictures belohnte Brody dafür: 2002 war er mit 29 Jahren der jüngste Schauspieler, der bis zum heutigen Tag den Oscar als bester Hauptdarsteller erhalten hat. Brody war über Nacht zum Star geworden. Aber nicht zum großen Schauspieler. Der war er schon vorher, ohne dass es vielen aufgefallen wäre.

Ausgerechnet dieser Darsteller hat die Hauptrolle in dem Horroraction-Film "Predators" übernommen. Mit entblößtem Oberkörper und gewaltiger Wumme rennt er jetzt durch den Dschungel und nimmt den Kampf gegen quietschbunte Aliens mit zischenden Krebsgebissen auf. Die haben sich diverse Kämpfer von der Erde für Jagdspiele kommen lassen. Die streng nach ethnischen Quotenvorgaben zusammengesetzte Truppe wird von Brody geführt. Dabei stößt er möglichst wenige, möglichst kurze Befehle aus, bevor er sich mit einem Sprung ins Gebüsch vor dem nächsten Monster in Sicherheit bringt.

Brody hat also getan, was so etwas wie der Lieblingssport von Schauspielstars ist: Er hat sich mutig seinem Rollenklischee widersetzt.

Das würdigt man umso mehr, wenn man bedenkt, dass Arnold Schwarzenegger im ursprünglichen "Predator" die Hauptrolle übernommen hatte. So wurde aus Brody, dem schlaksigen Mann, dessen Anzüge grundsätzlich zu groß sind, egal wie eng geschnitten sie sind, eine Kampfmaschine. Für "Predators" nahm Brody 15 Kilo Muskelmasse zu, um die körperlichen Anforderungen zu erfüllen.

Adrien Brody, 37, sitzt auf einer Couch im Bristol an der Rue du Faubourg Saint Honoré, fit sieht er aus in seinem schwarzen Kapuzenpulli, braungebrannt. Dabei aber so schlaksig und dünnhäutig wie eh und je. Er blickt dem Besucher besonders freundlich entgegen. Erste Vermutung: Er kann gar nicht anders schauen. Sein Gesicht ist unfassbar schmal. Seine Augen sind sehr groß. Sie blicken so offen, freundlich und, tatsächlich, über die Maßen verletzlich, dass man ihn eigentlich gleich wieder in Ruhe lassen möchte.

Es gibt solche Menschen, man hat das Gefühl, man darf sie nicht stören, sie brauchen Distanz, und wenn man in ihrer Nähe rücksichtslos herumtrampelt, dann bleibt nur Zerstörung zurück. Genau dieses Bedürfnis nach Distanz hat den Mann, der da auf der Couch des Luxushotels sitzt und einem die schmale Hand zur Begrüßung reicht, berühmt gemacht, und zwar nicht nur als Pianisten. Er hat diese Ausstrahlung in vielen anderen Filmen gewinnbringend für das ganze Projekt eingebracht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob das alles wirklich sein musste.

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Mr. Brody, es heißt, Sie hätten Produzent Robert Rodriquez überreden müssen, Ihnen die Hauptrolle zu geben. Warum waren Sie so scharf auf diesen Part?

Und sein neuer Film, der heißt dann "Terminator 5"? Nein, als nächstes dreht er den neuen Woody Allen. (Foto: afp)

"Wissen Sie, es ist ein Dilemma für jeden Schauspieler, dass ihm keine Möglichkeiten gegeben werden, etwas anderes zu spielen, solange er nicht bereits bewiesen hat, dass er es spielen kann."

Diese Rolle ist extrem weit entfernt von allem, was Sie bislang verkörpert haben: Nichts von Ihrer Ausstrahlung eines sensiblen, klugen und warmherzigen Menschen findet sich darin wieder.

"Genau darum hat mich diese Rolle ja so angezogen. Das Ziel eines Schauspielers ist es, Menschen darzustellen, die sich im Emotionalen, Spirituellen und Psychologischen außerhalb ihres eigenen Vorstellungsvermögens bewegen. Ich möchte mich nicht nur in Charaktere versenken, die sensibler sind als ich selbst. Ich möchte Menschen spielen, die so etwas wie die Antithese darstellen."

Goldene Sätze. Schauspieler bringen nun mal Sensibilität als grundlegende Voraussetzung mit. Und wenn diese einfühlsamen Menschen keine rücksichtslosen Charaktere darstellen könnten, weil sie selbst nicht so sind, müsste die Kinoproduktion eingestellt werden. Das Problem bei Brody ist, dass ihm seine Seelenlandschaft so ins Gesicht geschrieben steht. Dass er Ehrlichkeit und Verletzlichkeit so natürlich und unangestrengt ausstrahlt wie kaum ein anderer.

Wenn Schauspieler die große Herausforderung suchen, dann wählen sie Rollen von Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen:

Auch Brody spielte schon einen geistig behinderten Außenseiter in M. Night Shyamalans Horrordrama "The Village". Er spielte ihn famos. In "The Village" braucht er nicht leise zu sein, keineswegs umweht ihn wie so oft Melancholie, und er muss auch nicht den klügsten Mann im weiten Umkreis geben. Stattdessen lacht er viel zu laut und ungehemmt und lebt kindliche Freude aus, ehe er zum Mörder wird. Brodys Darstellung ist vielschichtig, aber sie beruht auf einer Gabe, die viel mit seiner Fähigkeit zu tun hat, sein Inneres aufscheinen zu lassen ohne die geringste mimische Anstrengung.

Im "Pianist" steht er am Fenster der Wohnung, in der er vor den Deutschen in Warschau versteckt gehalten wird. Von dort verfolgt er den Beginn des Aufstands im Ghetto. Er kann nichts tun außer schauen. Er sieht, wie sich brennende Menschen in den Tod stürzen, und er sieht, wie Menschen von deutschen Soldaten im Sekundentakt hingerichtet werden. Szpilmann greift nicht ein. Den Konflikt eines Menschen, der helfen will, aber nicht helfen kann, ist bei Brody nicht mehr als ein Senken des Kopfes. Brody ist ein Meister im Wegsehen, im Wegsprechen, im Wegspielen.

Man sieht, was in Brody vorgeht. Und was man sieht, ist bei aller Zurückhaltung Brodys groß und stark. Das hat Brody oft die Rollen von Menschen eingebracht, die den Dingen mit Distanz begegnen, die beobachten und ihre Schlüsse ziehen: Der Detektiv in "Hollywoodland", der Dramatiker auf der Reise zu "King Kong".

Als Sohn eines polnisch-jüdischen Lehrers, der in seiner Freizeit malte, und einer ungarischen Foto-Journalistin entwickelte Brody früh künstlerische Neigungen. Allerdings hatten die Jungs auf der Straße nicht unbedingt auf einen sensiblen Knaben gewartet. Also war er meist damit beschäftigt, seine weichen Seiten zu verbergen. "Es war nicht immer leicht, diese Empfindsamkeit zu unterdrücken. Leider hatte ich nicht viele Freunde, um mich für Kunst zu interessieren."

Warum war das überhaupt nötig?

"In unserer Jugend versuchen wir doch alle, cool zu sein. Und dabei verlieren wir leider unseren kindlichen Enthusiasmus, wir verhärten. Junge Männer lieben es, harten Männern nachzueifern. Eine Zeitlang war ich emotional sehr verhärtet. Aber zum Glück haben meine Eltern das Künstlerische in mir nie unterdrückt. "

Zum Außenseiter hat es den Jungen aus Queens wohl doch gemacht. Mit seiner tiefen Stimme erzählt er bedächtig, dass auf seine Weise jeder von uns ein Außenseiter sei, und wie viel es für einen Künstler bedeute zu wissen, wie es sich anfühlt, missverstanden zu werden. Ganz allein war Adrien Brody allerdings nie. Die Eltern unterstützten ihr einziges Kind nach Kräften. Mit zwölf besuchte er die High School for the Performing Art. Mit dem Abschluss ging er nach Los Angeles und begann sofort zu filmen. Inzwischen ist er 22 Jahre im Filmgeschäft. Ein alter Hase, dem man das Alter nicht ansieht, und auch nicht die Niederlagen, die er einstecken musste.

Die größte musste er vier Jahre vor dem "Pianisten", seiner schönsten künstlerischen Erfahrung, hinnehmen. Er wird für die Hauptrolle in "Der schmale Grat" engagiert. Doch dann streicht Regisseur Terrence Malick "die wichtigste Rolle des Films zusammen, obwohl sie die Augen und die Stimme des Romans ist, auf dem der Film basiert".

Von der Hauptrolle zur Nebenrolle?

"Zu einer sehr kleinen Rolle. Das war sehr gefährlich für einen jungen Darsteller. Weil man jung und unbekannt ist, muss es so aussehen, als hätte man nicht die Fähigkeit, seine Arbeit anständig zu erledigen. Aber ich habe daraus viel über Niederlagen gelernt. Und das ist gut so."

Wenn Adrien Brody vorgebeugt auf dem Sofa sitzt und erklärt, wie schwierig es für ihn war, mit dem plötzlichen Ruhm nach dem Oscar fertig zu werden, oder wenn er bekennt, dass er erst mit der Rolle des "Pianisten" erwachsen geworden ist, dann versteht man, warum seine Ex-Freundin, die Schauspielerin Elsa Pataky, einmal über ihre erste Begegnung mit ihm gesagt hat: "Er war nicht wie ein Star. Er war nicht der typische Mann, den du in L.A. triffst." Andererseits muss man sich keine Sorgen um ihn machen: Der Kuss, den er Halle Berry bei der Oscar-Übergabe verpasste, machte ihn fast so berühmt wie der Oscar selbst: ehrliche Freude! Aber alles andere als schüchtern.

Auch jetzt in diesem Pariser Hotelzimmer meint Brody es sehr ehrlich, wenn er voller Ernst von seiner Suche nach dem Charakter dieses "untypischen Helden" in "Predators" spricht. Von dem Menschen, nicht dem Superhelden, den er verstehen will. Diesem traurigen Soldaten, der gelernt hat "einem Mann die Kehle durchzuschneiden, wenn er ein falsches Wort sagt". Wenn er das mit todernster Miene vorträgt, ist man fast bei der Komödie, die "Predators" mit dieser Besetzung hätte werden können. Aber nur fast.

All das Kluge, das Adrien Brody von sich gibt, entdeckt man nämlich in dieser Filmfigur nicht. Als knallharter Söldner, der nur an sein eigenes Überleben denkt, ist Brody ein gut trainierter schmaler Mann mit einem leeren Gesicht. Seine Augen drücken diesmal nicht viel aus: keine Trauer, keine Melancholie, keine Weisheit. Aber sie sind auch nicht zynisch, hart oder gemein. Brody hat es geschafft, seine Ausstrahlung unsichtbar zu machen. Wo in seinem Blick sonst etwas Fragendes lag, wo man spüren konnte, wie tief Menschen sich in sich selbst zurückziehen können, steht jetzt das Nichts.

Nein, Schauspieler müssen nicht alles spielen können, auch wenn sie das noch so gut erklären können.

Am Ende fragt man Adrien Brody, ob sein nächster Film "Terminator 5" heißen wird. Nein, sagt er, und sein Gesicht unter den schrägen Augenbrauen erhellt sich: "Wir drehen ab nächster Woche in Paris den neuen Woody Allen."

Da lachen alle, auch seine persönliche Assistentin, erleichtert auf.

© SZ vom 17.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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