Die Sowjetunion, sagt Ilya Kaminsky, sei für ihn ein Land ohne Ton gewesen. Er habe sie mit den Augen zerfallen hören. 1993 verließen seine Eltern mit ihm Odessa, die Familie ging in die USA. Im Jahr darauf starb sein Vater, und erst danach, mit 16 Jahren, begann Ilya Hörgeräte zu tragen. "Ich werde nie seine Stimme hören", schreibt Kaminsky als erwachsener amerikanischer Dichter im Magazin der New York Times. Er erzählt da, wie er selbst 25 Jahre nach der Emigration und im Jahr nach dem Tod der Mutter zurück nach Odessa fuhr: "Ich habe nicht wirklich das Gefühl, ich sei zurück, bis ich die Hörgeräte abschalte." Erst in die tonlose Stadt kamen die Geschichten zurück, die er als Junge von den Lippen der Erwachsenen abgelesen hatte.
Ilya Kaminsky: "Republik der Taubheit":Die Zeit vergeht nicht
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Ein Jahrzehnt hat der ukrainisch-amerikanische Dichter Ilya Kaminsky an dem schmalen Epos "Republik der Taubheit" geschrieben. Vom Angriffskrieg auf die Ukraine konnte er da noch nichts wissen. Oder doch?
Von Marie Schmidt
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