Corona-Krise:Home-Office? Arbeit unter pandemischen Bedingungen!

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Stille Konzentration bei allen Beteiligten, und das über viele Stunden - so stellen sich Arbeitgeber gern Home-Office mit Kindern vor. (Foto: KNA)

Die Idylle des Home-Office ist ein Märchen des digitalen Zeitalters. Derzeit hat weder die Arbeit noch die Freizeit ein richtiges Zuhause.

Kommentar von Andrian Kreye

Für die Bewohner bislang heiler Welten ist es ein Schutzreflex, die Katastrophe zu romantisieren. Tröstlich sind die Texte über die Entschleunigung des Lebens in der Selbstisolierung, über Sternenhimmel, die ohne Luftverschmutzung wieder zu sehen sind, und die Potenziale für gesellschaftliche Veränderungen zum Besseren. Solche Romantisierungen widriger Umstände gab es schon vor der Pandemie, vor allem in der Arbeitswelt. Da fand man unter dem Begriff "New Work" so manchen Euphemismus für Sparmaßnahmen, von denen sich nun einer ganz besonders durchsetzt: "Home-Office".

Keine Frage, wer das Glück hat, weiter eine Arbeit zu haben, und das doppelte Glück, sie mit digitalen Werkzeugen auch in der Isolation verrichten zu können, hat wenig Grund zur Klage. Und doch steckt gerade in diesem Schlüsselwort eine Falle. Kritik regte sich schon vorher. Derzeit geht ein Zwischenruf durch die Netzwerke: "Wer Home-Office vorschlägt, damit Eltern Kinder betreuen können, hat wohl weder Home-Office noch Kinderbetreuung wirklich verstanden."

Die Mär von der "Work Life Balance" bei der dezentralen Arbeit hält sich auch in diesen Tagen in den Bildern des idealen "Home-Office". Da sitzen Familien um einen großzügigen Tisch herum, der Papa mit dem Kleinsten im Babybjörn vor dem Macbook, die Mama hilft nebenbei dem Schulkind. Bei einer Deckenhöhe von geschätzten vier Metern im lichtgefluteten Altbau wirkt das wie ein Idyll des digitalen Biedermeier.

Und natürlich gibt es Familien, in denen die Tage harmonisch verlaufen, die Kinder sich beschäftigen, in denen es Türen zum Schließen und vielleicht sogar ein Gärtchen gibt. Was diese Bilder aber allen anderen vermitteln, ist die calvinistische Kernbotschaft des Kapitalismus - wenn es bei euch nicht so aussieht, dann habt ihr versagt und zahlt nun in der Krise drauf. Denn nein, niemand arbeitet derzeit im Home-Office. Das Heim ist im normalen Leben ein Rückzugs- und Schutzraum, zu dem man zurückkehrt, wenn die Arbeit getan, die Schule aus, das Leben gelebt ist, die Freunde besucht sind. Draußen ist die Arena, drinnen das Heim. Das aber ist nun vorbei. Die Arena hat sich auf die mehr oder wenigen Quadratmeter reduziert, die vorher das Eigene waren. Niemand arbeitet oder lernt in diesen Tagen im "Home". Alle tun dies unter pandemischen Bedingungen.

Später mal könnte man übrigens durchaus die eigentliche Idee des "New Work" betrachten. Der Philosoph Frithjof Bergmann hatte sich die in den Siebzigerjahren als humanistisches und egalitäres Gegenmodell zum Sozialismus und Kapitalismus überlegt. Sie ist viel komplexer als die gleichnamigen Marketingfloskeln der Unternehmensberater, die bei Sparprogrammen als verbale Nebelkerzen geworfen werden. Aber für den Wiederaufbau durchaus eine Alternative.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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