Hip Hop:Reden wir lieber nicht darüber

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Der Fotograf rechtfertigte das Tragen des T-Shirts später als kritische Guerilla-Kunstaktion. (Foto: Youtube)
  • Bei der Battle-Rap-Veranstaltung "Toptier Takeover" stand ein Fotograf mit einem T-Shirt auf der Bühne, auf dem groß das Banner des "Islamischen Staats" zu sehen war.
  • "Toptier Takeover" hat knapp eine halbe Million Youtube-Abonnenten und fast 150 Millionen Views.
  • Die Szene, ihre Medien und die großen Plattenfirmen schweigen den Vorfall tot.

Von Jens-Christian Rabe

Die deutsche Rap-Szene ringt mit den dunklen Seiten ihres Erfolgs. Während der Frankfurter Ausgabe der populären Battle-Rap-Veranstaltung "Toptier Takeover" stand, wie erst in der vergangenen Woche anhand von Youtube-Videos der Show bemerkt wurde, im Februar völlig unbeanstandet ein Fotograf mit einem T-Shirt auf der Bühne, auf dem groß das verbotene schwarze Banner zu sehen war, das islamistische Terrororganisationen wie al-Qaida oder der "Islamische Staat" als Logo benutzen. Besonders bitter ist das, weil "Toptier Takeover" nicht nur knapp eine halbe Million Youtube-Abonnenten und fast 150 Millionen Views hat, sondern auch die Nachfolge-Veranstaltung von "Rap am Mittwoch" ist. "Rap am Mittwoch" war die extrem erfolgreiche Battle-Rap-Reihe, die ihr Erfinder, der jüdischstämmige Berliner Rapper Jonathan Kalmanovich alias Ben Salomo, im vergangenen Jahr abgab, weil ihm der Antisemitismus, dem er in der Szene begegnete, einfach zu viel wurde.

In seiner eben erschienenen Biografie "Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens" betont er wiederholt, dass deutscher Rap an sich keine antisemitische Musik sei, und schreibt doch auch, dass die deutsche Gesellschaft mit dem im Deutschrap verbreiteten Antisemitismus ein Problem hat, "das sie noch gar nicht richtig erfasst hat". Der Antisemitismus im Rap sei zwar nur ein Teil des viel größeren Problems des wachsenden Antisemitismus in der gesamten deutschen Gesellschaft, die Musik spiele aber "eine besondere Rolle" bei seiner Ausbreitung, weil ihr Publikum überwiegend männliche Jugendliche und junge Erwachsene sind.

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Dazu passt, dass zwar die "Toptier Takeover"-Macher schnell reagierten, in einem Video die Sache bedauerten und sich klar distanzierten, das unangenehme Thema ansonsten aber in der Szene und seinen eigentlich extrem umtriebigen, sehr selbstbewussten und reichweitenstarken Internet-Medien wie Rap.de, Hiphop.de, Splash-mag.de, Juice.de, Backspin.de oder 16bars.de überhaupt nicht vorkam. Ebenso wenig übrigens wie Ben Salomos Buch und seine Vorwürfe. Einzig der zum öffentlich-rechtlichen Jugendangebot gehörende Youtube-Rap-Kanal "Einigkeit und Rap und Freiheit" berichtete und kommentierte auch die schriftliche Rechtfertigung des Fotografen - der die T-Shirt-Aktion als kritische Guerilla-Kunstaktion verstanden wissen wollte, aber sich erst Wochen später erklärte - angemessen skeptisch.

Ist die Deutschrap-Szene unterwandert von Clans, die aus arabischen Antisemiten bestehen?

Von außen betrachtet sieht es so aus, als versuchen eine ganze Szene und ihre Fanboy-Medien ihr größtes Problem einfach kollektiv totzuschweigen. Schon die Hilflosigkeit, mit der im vergangenen Jahr mit dem Echo-Eklat um die antisemitischen Ausfälle des Düsseldorfer Gangsta-Rappers Felix Blume alias Kollegah umgegangen wurde, wirkte erschreckend naiv und passiv. Frei nach dem Motto: Wenn wir alle nicht drüber reden, löst sich das schon von alleine. Oder ist alles noch viel ungemütlicher und schlimmer, also so, wie Ben Salomo an anderer Stelle in seinem Buch schreibt? Dass nämlich die "ganze Deutschrap-Szene komplett unterwandert ist von Clans, die aus arabischen Antisemiten bestehen". Und warum sind eigentlich auch die großen Plattenfirmen Universal und Sony so still, die sehr viel Geld mit dem deutschem Gangsta-Rap verdienen?

Neben dem Schlager ist der deutsche Hip-Hop und insbesondere das Subgenre deutscher Gangsta Rap inzwischen die kommerziell erfolgreichste Popmusik des Landes. Mit mehr Macht und Einfluss kommt aber auch, wie schon der große amerikanische Sozialtheoretiker und Supergutmensch Peter Parker wusste, mehr Verantwortung. Es wird Zeit, dass sich die Szene ihr stellt.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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