"Deutschland sucht den Superstar":Gottschalk wirkt wie aus der Zeit gefallen

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Sieht mit seinem Wallehaar und dem blauen Samtmantel fast so aus wie ein verschollenes Mitglied von Modern Talking: Thomas Gottschalk zwischen Maite Kelly und Mike Singer. (Foto: Stefan Gregorowius/dpa)

Auf dem Jurysessel von DSDS erscheint der Bohlen-Nachfolger etwas ausgebremst, aber noch weit souveräner als die Mitjuroren. Sein Vorgänger kündigt auf Instagram quietschgesund Großes an.

Von Kathrin Müller-Lancé

Verehrt die deutsche Öffentlichkeit einen älteren weißen (oder auch solariumsgebräunten) Mann nahezu bedingungslos, verleiht sie ihm den Beinamen "Titan". Oliver Kahn ist der "Torwart-Titan". Dieter Bohlen der "Pop-Titan". Thomas Gottschalk der "Show-Titan".

Man könnte meinen, dass sich so ein Bindestrich-Titan nach dem Höhepunkt seiner Karriere zurückzieht und den Ruhm genießt. Nicht unbedingt. Während Kahn seinen Moderationsjob beim ZDF an den Nagel gehängt hat und Bohlen erst vor ein paar Wochen von RTL gegangen wurde, scheint Gottschalk umtriebiger als je zuvor.

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Vielleicht liegt es an der Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust, vielleicht ist es auch einfach Langeweile: Jedenfalls ist der einstige Godfather of Wetten, dass...? im Moment omnipräsent. Er moderiert eine Radiosendung bei SWR3, demnächst eine Showreihe im SWR-Fernsehen, trat bei Wer stiehlt mir die Show? auf Prosieben gegen Joko Winterscheidt an.

Gottschalk hatte nichts Besseres vor

Jetzt also Deutschland sucht den Superstar, wo Gottschalk ausgerechnet auf dem Jurystuhl von Dieter Bohlen Platz nimmt. Dieser hatte seine Teilnahme an den Liveshows krankheitsbedingt abgesagt, nachdem RTL kurz zuvor erklärt hatte, die Zusammenarbeit nach 18 Staffeln zu beenden. Ein 70-Jähriger ersetzt einen 67-Jährigen - ob das die "frischen Impulse" sind, die RTL in seiner Pressemitteilung zum Thema versprochen hat?

"Erstens lässt ein Titan den anderen nicht hängen", hatte Gottschalk im Vorfeld erklärt, "und zweitens hatte ich nichts Besseres vor." Und da steht der Showsenior nun, auf der Bühne im Landschaftspark Duisburg an der A42, und sieht mit seinem Wallehaar und dem blauen Samtmantel fast so aus wie das verschollene dritte Mitglied von Modern Talking. "N'Abend", begrüßt er das nicht vorhandene Publikum, und moderiert den Einstieg in die Sendung so genussvoll weg, dass der eigentliche Moderator, Oliver Geissen, ihn - "diesen Weg hier, ganz einfach" - höflich von der Bühne schieben muss.

Wäre er mal lieber oben geblieben. Auf dem Jurysessel neben Maite Kelly und Mike Singer wirkt Gottschalk etwas ausgebremst. "Ihn kenn ich noch als Kind, und bei ihr kenn ich noch die Eltern", kommentiert er die beiden, und auch sonst klingen seine Referenzen wie aus einer anderen Zeit.

Bohlen ist augenscheinlich quietschgesund

Er erzählt von den Drei Tenören, von der Manfred Mann's Earth Band und seiner eigenen Karriere als Rapper mit G.L.S.-United. Statt Bohlenschem Fäkalhumor setzt Gottschalk auf großväterliches Wohlfühlfeedback: "Kritik ist oft reines Gemäkel", sagt er, und: "Ich sehe meine Aufgabe heute im Wesentlichen darin, den Leuten Mut zu machen". Trotzdem: Gottschalk wäre nicht Gottschalk, wenn er bei alledem nicht immer noch um Meilen souveräner wirkte als seine beiden Mitjuroren, die sich in gespielter Ergriffenheit überbieten.

Der Rest der Show ist nicht wirklich der Rede wert. In seiner Lieb- und Budgetlosigkeit erinnert das Ganze mehr an ein Garagenkonzert als an eine Samstagabendshow. Der Applaus kommt vom Band, und auch sonst ist in der Tontechnik offensichtlich vieles egal. Immer wieder knattert ein falscher Einspieler los, leider allerdings ausgerechnet nicht in dem Moment, als Oliver Geissen die "langen Beine" einer Kandidatin lobt.

Wer ein bisschen Secondscreening betreibt, kann während der laufenden Sendung auf Instagram bestaunen, wie sich Dieter Bohlen zum ersten Mal nach langem Schweigen zu Wort meldet. "Ich plane Großes und ihr werdet von mir hören", kündigt er an, augenscheinlich quietschgesund.

Auf Wikipedia steht unter "Titan (Metall)" übrigens Folgendes: "Das Metall ist weiß-metallisch glänzend, hat eine geringe Dichte, ist dehnbar, korrosions- und temperaturbeständig." Und vielleicht passt das ja wirklich ganz gut.

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