Der andere Liebhaber
Man traut sich kaum die Handlung dieses Erotikthrillers aufzuschreiben, weil sie nach absoluter Drehbuch-Kreisliga klingt. Ein Topmodel schläft mit ihrem Therapeuten, und als sie herausfindet, dass er einen Zwillingsbruder hat, der ebenfalls Therapeut ist, steigt sie mit dem auch ins Bett. Die einzige Kinonation der Erde, die nicht dazu verurteilt ist, aus so einer Prämisse eine große Peinlichkeit zu machen, ist die französische, wie François Ozon eindrucksvoll beweist.
Die Anfängerin
Sie nennen sie "Doktor Fürchterlich": Dr. Annebärbel Buschhaus führt eine lustlose, eingefrorene Existenz. Gezeichnet von der strengen DDR-Kindheit, von der Mutter unaufhörlich kritisiert und schließlich vom Ehemann verlassen, will sie mit Ende fünfzig ihren Traum vom Eiskunstlaufen wahr machen. Eigentlich alles da für einen tollen Film: Ulrike Krumbiegels Darstellung dieser sturen Frau, die schräge Geschichte eines verspäteten Coming-of-Age, der Trost der Botschaft (es ist nie zu spät!). Alexandra Sell verwandelt die Zutaten aber in ein allzu formelhaftes Feel-Good-Fernsehmärchen.
Born in China
Die Mutter ist überfürsorglich, der Vater oft abwesend und das Kind muss ohne Abendessen ins Bett. Das ist in der Tierwelt Chinas nicht anders als bei den Menschen, zumindest wenn es nach dem jüngsten Dokumentarfilm aus dem Hause Walt Disney (Disneynature) geht. Regisseur Chuan Lu präsentiert prächtige Aufnahmen von Pandabären, Schneeleoparden und Stumpfnasenaffen, ordnet diese aber den strengen Disney-Compliance-Regeln unter: Die Familie steht über allem, ständig wird gekuschelt, Kämpfe oder Sex sind tabu. Und wenn es den kleinen Zuschauern, für die der Film gedacht ist, zwischendurch langweilig wird, taucht mit Sicherheit das nächste Tierbaby auf.
Downsizing
Weil der Klimawandel in der Natur und nicht am Menschen stattfindet, ist er schwierig in eine Erzählung zu übersetzen - das ist ein Problem, denn so bleibt er abstrakt. Doch was wäre, wenn man stattdessen den Menschen, und damit auch seinen CO2-Fußabdruck,mittels einesmedizinischen Verfahrens schrumpfen könnte? Dann könnte man zeigen, wie kleinkariert die Denkweise eigentlich ist, nach der alles, um gut zu sein, groß sein muss. Alexander Payne tut das mit sehr komischem Blick für Details. Irgendwie fehlt dem Film trotzdem eine gewisse, nun ja, Größe.
Die dunkelste Stunde
Wer, wenn nicht Winston Churchill, diese Galionsfigur britischer Coolness und Entschlossenheit, hätte Hitler und der Wehrmacht als Premierminister die Stirn bieten sollen? Was heute sonnenklar erscheint, versucht Joe Wright als historische Zitterpartie zu inszenieren, voller Zufälle, Ängste und Unsicherheiten rund um das Drama von Dunkirk. Man würde ihm den zweifelnden Churchill auch fast glauben, aber dann ruiniert er die Sache mit ein paar krass erfundenen Szenen. Gary Oldman in Doppelkinn-Maske ist dennoch eine Schau (siehe Feuilleton vom Mittwoch).
Hannah - Ein buddhistischer Weg zur Freiheit
Auf der Flower-Power-Welle ließ sich das dänische Paar Hannah und Ole Ende der Sechzigerjahre nach Indien treiben,in den Einflussbereich des 16. Karmapa, des spirituellen Führers der Exiltibeter. Nachdem sie als erste westliche Schüler Seiner Heiligkeit ihre Erleuchtung erfahren hatten, verbreiteten sie die Kunde des Buddhismus in der Welt und gründeten mehr als 500 buddhistische Zentren. Der Kern der Erleuchtung bleibt diffus, in erster Linie ist der Film von Marta György Kessler eine sehr private Hommage an ihre inzwischen an Krebs gestorbene Freundin.
Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft
Eine lang verstorbene Lehrerin erwacht wieder zum Leben und terrorisiert mit Machtgier und Magie ein Kleinstadtgymnasium. Dummerweise werden dabei auch die Eltern eines Schülers verzaubert. Tim Tragesers Komödie zeigt recht lustig die Rettung der Schule, lustiger ist sie, wenn sie sich an den Titel hält: an den Umgang eines Zehnjährigen mit Erwachsenen, die so klein sind, dass er sie im Zahnputzbecher baden muss.
Hot Dog
Schweighöfer als Nerd-Polizist und Schweiger als Macho-Cop mit kuscheligem Kern. Wer auch nur einen Film mit einem der beiden gesehen hat, könnte wahrscheinlich den kompletten Film nacherzählen, ohne ihn gesehen zu haben. Die gute Nachricht ist, dass das, was Regisseur Torsten Künstler darausmacht, zumindest nicht noch langweiliger ist als das, was man erwartet.
It Comes at Night
Klein, eng und schummrig ist das Leben geworden, in einem einsam im Wald gelegenen Holzhaus, in dem sich eine kleine Familie verbarrikadiert hat. Jeder Fremde könnte Träger des Virus sein, der die Apokalypse verursacht hat oder ein verzweifelter Plünderer, der es auf Wasser und Vorräte abgesehen hat. Mit minimalistischen Mitteln entwirft Regisseur Trey Edward Shults ein Weltuntergangsszenario, das seine bedrohliche Kraft aus Ahnungen und Ungewissheiten im Dunkeln bezieht, und aus den Nuancen des Spiels im Gesicht von Joel Edgerton, der seiner Familie die letzte Hoffnung nicht nehmen will.
Marlina - Die Mörderin in vier Akten
Eine Gruppe Männer stiehlt Marlina die Tiere und will sie vergewaltigen, aber sie tötet alle und flieht mit dem Kopf des Anführers. Mouly Suryahat eine Art absurden indonesischen Rachewestern gedreht, der an Peckinpah und Tarantino erinnert und in dem die Gewalt so trocken wie die Landschaft ist. Die frauenverachtenden Männer bekommen die schlagkräftige Heldin, die sie verdienen.