Fall Pelham vs. Kraftwerk:Verfassungsgericht kippt BGH-Urteil zum Sampling

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Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg: Moses Pelham vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Foto: imago/Stockhoff)
  • Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Sampling gekippt.
  • Frühere Entscheidungen trügen der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung, heißt es aus Karlsruhe.
  • In dem Streit zwischen Produzent Moses Pelham und der Gruppe Kraftwerk geht es um einen kopierten zweisekündigen Beat. Pelham hatte gegen das Urteil des Bundesgerichtshof Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Im Streit um die Verarbeitung einer fremden Rhythmussequenz hat das Bundesverfassungsgericht dem Produzenten Moses Pelham vorerst recht gegeben. Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, der Fall muss neu entschieden werden, wie in Karlsruhe verkündet wurde.

Streit seit mehr als zehn Jahren

Seit mehr als zehn Jahren streiten der Komponist und Produzent und Kraftwerk um einen zweisekündigen Beat. Pelham hatte die Sequenz 1997 ungefragt aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall" von 1977 übernommen und in Endlosschleife unter den mit der Rapperin Sabrina Setlur aufgenommenen Song "Nur mir" gelegt.

Derzeit darf das Stück nicht verbreitet werden. Dagegen hatte Pelham gemeinsam mit anderen Produzenten und Musikern geklagt. "Hip-Hop ist dann nicht mehr möglich" sagte Pelham über das Urteil des Bundesgerichtshofs von 2012. Der hatte damals die Regeln zum Sampeln verschärft und den Tonklau per Copy & Paste weitgehend verboten. Die freie Nutzung selbst "kleinster Tonfetzen" von einem fremden Tonträger sei nicht zulässig, wenn ein "durchschnittlicher Musikproduzent" in der Lage wäre, sie technisch selbst herzustellen, lautete die Begründung. Musiker sollten ansonsten Lizenzgebühren für das Sampling zahlen. Dieses Urteil haben die Verfassungshüter nun aufgehoben, der Bundesgerichtshof muss den Fall neu bewerten.

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Von Wolfgang Janisch

Begründung des Bundesverfassungsgerichts

Wie Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof mitteilte, trügen frühere Urteile in der Causa der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Er begründete die Entscheidung mit der Kürze der Sequenz. Daraus sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden, ohne dass Kraftwerk dadurch wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", sagte er (Az. 1 BvR 1585/13).

In dem Prozess geht es im Wesentlichen um zwei Fragen, die nun wieder in den Vordergrund rücken: Wie hinderlich ist ein restriktives Urheberrecht für den kreativen Prozess? Und welche wirtschaftlichen Konsequenzen hätte eine Lockerung für die Produzenten der geplünderten Originale?

Wie die Branche auf das Urteil reagiert

Pelham sagte nach der Urteilsverkündung: "Ich bin sehr erleichtert, ich bin mit dem Urteil sehr glücklich. Ich glaube, dass es für die Fortentwicklung der Kunst ein sehr, sehr wichtiges Urteil ist." Auch Smudo von den Fantastischen Vier begrüßte die Entscheidung. Allerdings verwies der Rapper im MDR-Radio auf eine künftig angepasste Rechtsprechung, die eine genaue Sekundengrenze festlegt.

Im Vorfeld hatte sich der Bundesverband Musikindustrie bereits kritisch geäußert. "Sollte durch die Entscheidung der Eindruck entstehen 'Kunstfreiheit sticht immer', könnte das Folgen haben, die über den konkreten Streit weit hinausreichen", zitiert Spiegel Online Geschäftsführer Florian Drücke. "Das wäre Wasser auf die Mühlen derer, die sagen, im Internet soll alles erlaubt sein." Er befürchte eine Entwertung des kreativen Schaffens.

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