"Ein Doktor auf Bestellung" auf DVD:Fährt ein Arzt durch Paris

Lesezeit: 3 min

Michel Blanc als desillusionierter Pariser Großstadtarzt in "Ein Doktor auf Bestellung". (Foto: SquareOne)

Der Film "Ein Doktor auf Bestellung" ist eine französische Grantlerkömodie für alle, denen französische Komödien auf die Nerven gehen.

Von Doris Kuhn

Viel französische Komödie ist in den letzten Jahren nach Deutschland geschwappt, die Filme haben Titel, in denen Worte wie "Lavendel" vorkommen, oder "obskur", oder "Madame". Die Inhalte sind entsprechend lavendelig, es geht ums Lebensgefühl alternder Menschen, meist Frauen, der komödiantische Ansatz liegt im Clash von Wunsch und Realität, meist achtsam aufgearbeitet. Das kann man mögen oder nicht.

Der Macher des französischen Films "Ein Doktor auf Bestellung" (auf DVD, Blu-ray und als Video on Demand) mögen diesen Ansatz nicht. Sie mögen wahrscheinlich nicht mal das Wort "Lebensgefühl", so grantig kommt der Film daher. Er zeigt gleich am Anfang ein krankes Baby, dessen Eltern es an praktischem Verstand fehlt, nicht aber an überkandidelter Fürsorge fürs Kind. Man kann zusehen, wie drei Parteien aneinander vorbeiagieren, Ehepaar, Baby und der herbeigerufene Doktor, ein Bereitschaftsarzt, der erst nach einem Machtwort nah genug ans Kind herandarf, um es abzuhören. Er diagnostiziert, schreibt ein Rezept, geht mit einem guten Rat und wird sofort von den Eltern bei seiner Vorgesetzten angezeigt. Zu grob, lautet die Beschwerde.

Die Patienten behandeln den Arzt, als wäre er der Typ vom Lieferdienst

So macht der Film seine Haltung zu Grobheiten gleich klar, denn daran mangelt es nicht. Damit ist nicht die schlechte Laune des Doktors gemeint, die kann man nachvollziehen: Es ist Weihnachten, und er ist der einzige Arzt in Paris, der Notfallpatienten aufsucht. All seine Kollegen feiern mit Familie, er ist allein, auch kein Grund für gute Stimmung. Aber tatsächlich liegen die Grobheiten hier bei den Patienten, die den Doktor wie einen Lieferservice benutzen. Sie wollen Ansprache, Rezepte, eine Vitaminspritze in den Po oder ein Publikum für ihre Eitelkeit. Soweit sind die Médecins von Paris runtergekommen, dass sie nicht mehr respektiert werden als ein Take-out-Service. Der liefert schließlich auch, der Unterschied zum Arzt liegt grade mal in den Schuhen: Ärzte tragen keine Sneakers, jedenfalls nicht in Paris.

Wenn der Lieferjunge für den Arzt übernimmt: Hakim Jemili und Michel Blanc in "Ein Doktor auf Bestellung". (Foto: SquareOne)

Man kann diesen Film-Doktor also sofort mögen. Er erträgt das selbstgefällige Benehmen seiner Patienten mit Alkohol, Zigaretten, Kaffee, mehr Alkohol. Sein Auto sieht aus, als würde er darin wohnen. Paris von unten quasi, mal ohne Obdachlose, aber der Mittelstand, das sieht man hier mehrfach, hat es auch ganz schön kalt. Die Stadt selbst wirkt genauso verfroren, an allen Bäumen hängen Lichterketten in Weiß oder Rot, trotzdem lässt sich der Eindruck von Einsamkeit nicht verscheuchen. Der Doktor allerdings hat für Deko sowieso keine Zeit, er hetzt mit trüber werdendem Blick durch die Arrondissements, um seine Aufträge zu erfüllen.

Kein Wunder, dass er nach einiger Zeit mit einem Fahrradkurier zusammengespannt wird. Der wiederum ist jung und freundlich, er liefert gern, die Erfahrung mit der Kundschaft hat ihn noch nicht ruiniert. Er springt dem Doktor aus Freundlichkeit bei, und schon ist er drin im Notfalldienst von Paris, er wird ab jetzt als falscher Arzt die Patienten des Doktors behandeln. Das machen der Doktor und er nicht aus Skrupellosigkeit, im Gegenteil, Skrupel haben sie viele. Aber der Doktor kann kurzfristig seine Beine nicht mehr bewegen, und der Lieferjunge wollte eh Feuerwehrmann werden. Also muss er jetzt ferngesteuert Menschenleben retten, dabei ist er über Kopfhörer und Mikro mit dem Doktor verbunden, der ihm Anweisungen gibt, ohne dass die Täuschung nach außen erkennbar wird.

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Da funktioniert der Film, wie eine Komödie funktionieren soll. Es gibt über den ganzen nächtlichen Einsatz hinweg ein bisschen Slapstick im Umgang mit den Arbeitsgeräten, manchmal Wortwitz dazu, denn Doktor und Doktor-Imitator streiten häufig; viel Spannung, ob der Schwindel auffliegt, und ja, doch immer mal wieder eine gewisse Sorge um das Leben der Patienten. Der Humor liegt nah an der Wirklichkeit, häufig durchsetzt mit fröhlicher Häme, und am Ende hat man auch noch ein Porträt der Pariser Gesellschaft gesehen, das breit und vielfältig war, nur ganz am Rand blüht lila etwas Schmerz.

Docteur?, F 2019. R: Tristan Séguéla. Mit Michel Blanc, Hakim Jemili, Solène Rigot. SquareOne. Auf DVD, Blu-ray und als Video on Demand.

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