Konzert von Drake und Ye in Los Angeles:Beweihräucherung für den guten Zweck

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"Wir haben einander provoziert und vergiftete Pfeile aufeinander abgefeuert - damit ist nun Schluss": Rapper Kanye West, der sich jetzt Ye nennt, über seinen Kollegen Drake. (Foto: Screenshot Amazon Music/twitch)

Die lange verfeindeten Rapper Ye und Drake geben ein gemeinsames Konzert: gegen die Haftstrafe von Larry Hoover und für eine Gefängnisreform in den USA.

Von Jürgen Schmieder

Was von diesem Konzert in Erinnerung bleiben wird, das ist der Rauch, der aus dem Coliseum von Los Angeles aufgestiegen ist. Die Rapper Drake und Ye (die Älteren kennen und schätzen ihn noch als Kanye West) waren gemeinsam auf der Bühne, das konnte man hören und oft sogar spüren, doch man konnte es meist nicht sehen, der dicken Rauchschwaden wegen, die bisweilen selbst das olympische Feuer am Stadiondach verhüllten. Wahrscheinlich haben in der Geschichte der Menschheit nur die Vulkane Vesuv und Eyjafjallajökull mehr Rauch produziert als dieses Konzert.

Eine auch ansonsten bombastische Show übrigens. Auf der Mondhügel-Bühne in der Mitte der Arena passierte ohne jeden Zweifel das, was nun mal passiert, wenn sich zwei der Besten ihres Fachs gegenseitig an eine Grenze treiben, die sie ohneeinander niemals erreichen würden: ganz große Popkunst. Für den ganz großen Zweck.

Was hat ein Mensch vom Leben, wenn er nicht einmal mehr Hoffnung haben darf?

Das Thema, für das Drake und Ye sich nach jahrelangen Zankereien zusammengetan haben, ist schließlich für viele drängend: die Gefängnisreform in den Vereinigten Staaten. Konkret aufgehängt hatte man das alles an der Freilassung des 71 Jahre alten Larry Hoover, ehemals Anführer der Gang "Gangster Disciples". Hoover sitzt seit 1995 wegen Mordes und anderer Delikte in Einzelhaft, wird nie wieder freikommen und gilt vielen deshalb als Symbol für dringend notwendige Veränderungen. Was hat ein Mensch vom Leben, wenn er nicht einmal mehr Hoffnung haben darf? Ja, so wird diese politische Debatte geführt.

Der Konflikt zwischen den beiden Alphamännern war nun ähnlich groß. Ein bisschen Weichzeichnung durch Nebel kann da also nicht schaden. Im Großen ging es bei dem Streit vor allem um die Frage, wer von den beiden (neben/nach/vor Gott) nun tatsächlich der Fantastischste ist. Im Detail aufgehängt war das dann etwa an der Frage, ob Drake Ghostwriter für seine Songs beschäftigt. Oder ob Ye die ungeplante Vaterschaft von Drake ausgeplaudert hat. Was in dieser heißgelaufenen Welt derzeit eben alles wichtig erscheint. Zuletzt gab es im Sommer Beef. Ye veröffentliche da "Donda", ein gospelverhauchtes, synthieschweres Rap-Album, in dem er Gott, vor allem aber sich selbst als Erleuchteten preist. Ein exemplarischer Gedanke, den er im Song "Jail" gemeinsam mit Jay-Z entwickelt: Wir seien alle ein Selfie von Gott; wenn wir aber ein Selfie von Gott sind, dann können wir doch auch Gott sehen, wenn wir ein Selfie von uns machen.

Sandsturm? Drake im Nebel. Es gab viel Nebel auf der Bühne. (Foto: Screenshot Amazon Music/twitch)

Das womöglich zur Erklärung der Merchandise-Preise, mit denen im Dunstkreis des Konzertes Benefizgeld eingesammelt wird: Ein hellblaues "Free Hoover"-Shirt kostet 100, ein Hoodie 200 und eine Jeans 400 Dollar. Geschenkt doch eigentlich, für Klamotten von Gott. Und außerdem ja für einen guten Zweck.

Der Kanadier Drake jedenfalls hatte kurz nach Ye "Certified Lover Boy" rausgebracht. Ein typisches Drake-Werk: Songs, die ganz schnell die Charts erklimmen (er stellte einen neuen Rekord auf, weil neun Lieder gleichzeitig in den Top Ten der US-Singlecharts zu finden waren), an die man sich kurz drauf aber nur schwer wird erinnern können. Letztlich geht es auf Drakes Album darum, dass er weiß, dass er der Allergrößte ist und dass er deshalb gehasst wird - unter anderem von West, diesem Heuchler, der sich als gottgeküsst gebe und dann aber auf dem Album Musiker wie den schwulenfeindlichen Rapper DaBaby und den wegen sexueller Übergriffe verdächtigen Schockrocker Marilyn Manson auftreten lässt. Stimmt schon, was man sagt: Wo Rauch ist, ist meistens auch Feuer.

"Wir haben einander provoziert und vergiftete Pfeile aufeinander abgefeuert - damit ist nun Schluss"

Es war Rap-Impresario J. Prince, Gründer und Chef des Labels Rap-A-Lot Records, der den beiden schließlich klarmachte, dass das kindische Balz-Gezanke nur Verletzte bringe. Und dass sie beim gemeinsamen Brunftbrüllen deutlich mehr Fans erreichen würden. Es gebe da nämlich ein gemeinsames, gesellschaftlich relevantes Ziel: Larry Hoover. Dessen Haftstrafe soll im Zuge einer Gefängnisreform, die unter anderem von Wests Noch-Ehefrau Kim Kardashian unterstützt wird, reduziert werden. Auf "Donda" ist der Sohn von Hoover zu hören: "Free my father, Larry Hoover senior."

Zwischendrin waren Drake und Ye auch zusammen im Bild. Aber nicht sehr oft. (Foto: Screenshot Amazon Music/twitch)

Genug Gründe offenbar, die Fehde zu beenden. West sagte in einem Video aus der Kapelle, in der er sich mit Prince getroffen hatte über Drake: "Wir haben einander provoziert und vergiftete Pfeile aufeinander abgefeuert - damit ist nun Schluss." Im November trafen sich West und Prince mit Drake in dessen Haus in Toronto. Nach stundenlanger, laut Prince aufgeheizter Debatte, stand fest: gemeinsames Konzert, Anfang Dezember, Coliseum Los Angeles, frei verfügbar auf dem Streamingportal von Amazon, ausgestrahlt in mehr als 140 Länder.

Zehn Millionen Dollar soll die Produktion gekostet haben. Am Ende des Konzerts priesen beide den Allmächtigen (in ihren Augen dann offenbar doch noch eine Stufe über ihnen, den Allergrößten), dann gingen sie Arm in Arm von der Bühne. Dort unten gab es dann keinen Rauch, man konnte sie nun wirklich erkennen. Sie sahen ziemlich zufrieden aus mit sich.

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