"Downton Abbey 2: Eine neue Ära" im Kino:Tapetenwechsel

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Auch bei 30 Grad im Schatten die Etikette wahren: Ausflug der Adelsgesellschaft nach Südfrankreich. (Foto: Ben Blackall/Universal)

Das Schloss wird Filmkulisse, die Familie entkommt in die Sonne Südfrankreichs: Im zweiten "Downton Abbey"-Kinofilm brechen neue Zeiten an.

Von Nicolas Freund

Eigentlich ist es die ultimative Demütigung für das stolze Haus: Auf Downton Abbey soll ein Film gedreht werden! Der alte Lord Grantham (etwas abgemagert: Hugh Bonneville) ist strikt dagegen. Das altehrwürdige Schloss endgültig zur Kulisse erklären? Noch dazu für einen Film, der in einem Kasino spielt? Kommt gar nicht in Frage. Seine Tochter Mary (Michelle Dockery gibt sie wie immer als berechnende Eisprinzessin) und die Bediensteten sehen das natürlich anders: Was für eine große Chance wäre dieser Film, um endlich zur Gegenwart aufzuschließen! Nebenbei strömt Geld in die immer etwas knappe Kasse, und wenn dann auch noch der ein oder andere Filmstar vorbeischaut: What's not to love?

Überzeugen lässt sich der konservative Lord schließlich von dem Filmdreh, als ihm Mary das Dach des Anwesens zeigt: Das ist nämlich inzwischen so undicht, dass bei Regen nur ein paar große Bottiche einen größeren Wasserschaden verhindern. Gut, dann nimmt man eben das Geld dieser Filmleute. (Das echte Highclere Castle, auf dem gedreht wurde, haben übrigens auch die Dreharbeiten vor dem Verfall gerettet.) Downton Abbey ist zur Kulisse geworden, das muss sich nun, im Jahr 1927, auch der alte Lord eingestehen.

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Der echte alte Lord hinter dem Ganzen weiß das natürlich längst: Julian Fellowes, "Downton Abbey"-Erfinder, 72 Jahre alt und neben seinem Job als Autor auch als konservativer Politiker aktiv, hat den Fans nun sieben Jahre nach dem Ende der heißgeliebten TV-Serie und einem Spielfilm eine weitere Kinofortsetzung beschert. Nach den einschneidenden Veränderungen, um die es in der Serie ging, vom Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe bis zur Einführung des Automobils und anderer technischer Neuerungen, geht es nun über gleich zwei, dafür aber etwas niedrigere Epochenschwellen: Neben dem schon erwähnten Filmdreh sorgt der Tourismus als neueste Mode der modernen Zeiten für viel Aufregung.

Denn ausgerechnet die alte Lady Violet Crawley (Maggie Smith) hat geerbt. Und wie. Eine Villa in Südfrankreich, in der sie einst, vor Jahrzehnten, einen sehr heißen Sommer verbrachte. Ist da schon wieder ein längst verflossener Lover im Spiel, den Granny allen verschwiegen hat? Bevor das geklärt werden kann, ist die Villa aber zunächst mal eine willkommene Entschuldigung, um vor den würdelosen Dreharbeiten zu fliehen. Mit dem halben Hausstand zieht die Adelsfamilie samt Entourage an die Côte d'Azur, und Mary bleibt allein mit dem feschen Regisseur, was für die beiden auch völlig in Ordnung ist.

Eine Villa am Meer? Auch für die Bilder eine willkommene Abwechslung. (Foto: Ben Blackall/Universal)

Dieser Ortswechsel rettet den Film vor seinem eigenen Konservatismus: Nach sechs Staffeln, die fast ausschließlich in und um Highclere Castle in der Nähe von London gedreht wurden, musste dringend mal etwas Neues gezeigt werden. Auch die Kamera wagt hier endlich mehr als die sonst üblichen Totalen der schicken Locations: Gleich zu Beginn fliegt sie über das Anwesen und durch ein Kirchenfenster mitten in eine Hochzeit. Allein,die Figuren mal auf einem Schiff, am Meer und in einer anderen Villa zu sehen, macht schon Spaß, denn bei "Downton" geht es neben dem übergreifenden Thema des Epochenwandels auch immer um die Ausstattung, die Kleidung der Zeit, die herrschaftlichen Häuser, die schicken Events und die geschliffenen, doppelbödigen Dialoge. Jetzt also versteckte Beleidigungen in weißen Leinenanzügen und mit Champagner am Pool, warum nicht?

Das ist natürlich alles seit der ersten Episode immer schon leicht ironisch gebrochen. Die steife Etikette der hochnäsigen Briten steht sich mehr als einmal selbst im Weg, was aber immer mit Slapstick, Situationskomik oder Selbstironie gelöst wird. Der erzkonservative Butler Carson (Jim Carter) schlurft viel zu warm angezogen durch Südfrankreich und beschließt dann, das Problem zu lösen, indem er sich einen leichteren Hut kauft. Wie auch sonst?

Hier wird den Serienfiguren ein würdiger Abschluss spendiert

Nachdem der erste Kinofilm 2019 den Besuch des britischen Königspaares in Downton Abbey etwas zu ernst genommen hat, geht es nun, in der womöglich letzten Geschichte über das Haus und seine Bewohner, wieder mehr um den Humor. Klar, Ironie immunisiert gegen Kritik, und ein wenig geht es dabei auch immer darum, die etwas zu beschönigende Nostalgie für die in Großbritannien etwas zu lange gepflegte Ständegesellschaft zu kaschieren. Die konservativen Fantasien, die Fellowes hier auslebt, sind nie ganz zu leugnen, aber sie sind auch nur ein Nebenaspekt.

Es geht bei diesem Film mehr darum, den Figuren einen würdigen Abschluss zu spendieren - und den bekommen sie auch. Manche, deren Geschichte längst auserzählt ist, wie die des netten Bates-Pärchens, sind in dem Film nur Staffage und Stichwortgeber, aber das geht wohl nicht anders, wenn eine Serie mit Dutzenden Figuren in einen Spielfilm gepackt werden soll. Umso mutiger, dass es sich der Film erlaubt hat, noch eben mit Dominic West als Filmschönling auf den letzten Metern eine neue Hauptfigur einzuführen.

Und vielleicht ist der Filmdreh in Downton auch ein Appell daran, das alles bitte nicht zu ernst zu nehmen: eine Erinnerung daran, dass es hier nicht um ein historisches Sachbuch oder ein politisches Pamphlet geht, sondern um einen Film, der auch noch großen Spaß macht. Ein sorgloser Ausflug an eine Villa am Meer - auch wenn diese ausladende Erzählung über die Chancen, Sorgen und Nöte einer Epoche im Umbruch gerade gegenwärtiger erscheint, als sie es sein will.

Downton Abbey 2: A New Era , UK 2022 - Regie: Simon Curtis. Buch: Julian Fellowes. Kamera: Andrew Dunn. Mit: Tuppence Middleton, Hugh Dancy, Elizabeth Govern. Universal Pictures, 125 Minuten. Kinostart: 28.4.2022.

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