Diskriminierung:Wenn man mit über 40 nur noch die Hexe mimen darf

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Altern in Hollywood ist ein Karrierekiller - das musste auch Meryl Streep erfahren. (Foto: dpa)

Hollywood diskutiert, ob Schauspieler ihr wahres Alter verheimlichen dürfen. Das klingt zunächst fair. Aber Altersdiskriminierung verschwindet deswegen nicht.

Kommentar von Susan Vahabzadeh

Hollywood hat eine neue Diskriminierungsdebatte: In der vergangenen Woche wurde in Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, wonach Schauspielern erlaubt wird, ihr Geburtsdatum aus Internet-Datenbanken entfernen zu lassen - Hintergrund ist der Prozess einer Schauspielerin, die jahrelang erstreiten wollte, ihr Geburtsdatum für sich behalten zu dürfen, weil man ihr mit der tatsächlichen Altersangabe Chancen auf einen Job verbaue. Sie hat verloren, aber nun ist die Gesetzeslage geändert worden. Denn sie hatte eigentlich recht: Altern ist in Hollywood ein Karrierekiller, und was hilft Botox, wenn im Netz die Wahrheit steht?

Die USC Annenberg School of Communications hat für eine Studie nach Filmfiguren gesucht, die älter als sechzig Jahre sind. Leider konnte man kaum welche finden - weshalb die Studie den Titel "The Rare and the Ridiculed" erhielt: die Seltenen und Verlachten. In den 100 Filmen, den erfolgreichsten des Jahres 2015, die untersucht wurden, waren nur elf Prozent der 4066 Figuren, die zu Wort kamen, älter als sechzig; der Bevölkerungsanteil beträgt dagegen fast zwanzig Prozent. Außerdem, fanden die Autoren der Studie, seien die Figuren häufig auch noch lächerlich. Wie unklug von den Produzenten - Senioren sind schließlich ein Markt. Das Coachella Festival in Kalifornien wird, wegen des Altersdurchschnitts auf der Bühne und davor, inzwischen scherzhaft "Oldchella" genannt. 150 000 Besucher hat es trotzdem.

Die Oscar-Academy hat die Zahl ihrer Mitglieder aufgestockt - damit mehr Junge abstimmen

Wie viele Furchen Mick Jagger im Gesicht hat, ist den Coachella-Besuchern egal - bei Schauspielern ist es vermeintlich anders. Und das gilt vor allem für die Frauen. Eine andere Studie, die 2014 veröffentlicht wurde, untersuchte den Verdienst - da ging es bei den Schauspielerinnen ab 34 Jahren bergab, bei den Männern erst ab 51 Jahren. Immer noch zu früh, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen.

Im Gegenteil: Das Altenteil wird ja gerade eher nach hinten verschoben. Es klingt also, zunächst einmal, nur fair, das tatsächliche Alter verbergen zu dürfen, besonders Schauspielerinnen gegenüber. Meryl Streep hat im vergangenen Jahr erzählt, welche Rollen man ihr angeboten hatte, als sie vierzig wurde: drei Stück, in verschiedenen Filmen, alles Hexen. Und obwohl sie heute, mit 67, als eine der größten Schauspielerinnen überhaupt gilt - damals fand sie kaum noch Arbeit.

Und dennoch: Man muss schon aufpassen, dass um das Alter herum keine Schutzzone entsteht, die dann keiner mehr durchbrechen kann. Erst Anfang des Jahres stand die Oscar-Academy im Zentrum der Kritik, weil sie zu wenige Schwarze und zu wenige Frauen nominiert. Man reagierte darauf, indem viele neue, deutlich jüngere Mitglieder aufgenommen wurden. War das auch Altersdiskriminierung? Und tut es dem deutschen Fernsehen gut, dass hierzulande die Redakteure, Regisseure und Autoren selten jung sind? Manchmal ja und manchmal nein. Erfahrung ist nicht schädlich; verkrustete Strukturen sind es schon.

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:Oscar-Akademie nominiert Frauen, Schwarze und Latinos für die Jury

Nach Vorwürfen bei der vergangenen Preisverleihung reagiert die Organisation. Doch selbst wenn alle Eingeladenen zusagen, sind die Auswirkungen gering.

Gegen Altersdiskriminierung ist das Gesetz in Kalifornien jedenfalls kein Mittel. Erstens gilt es als verfassungswidrig und könnte daher ohnehin gekippt werden. Und zweitens: Altersdiskriminierung verschwindet nicht, weil ein Hollywood-Produzent versehentlich einer gut gelifteten Schauspielerin eine Rolle gibt, von der er nicht weiß, dass sie 45 ist. Einer Schauspielerin zu raten, so zu tun, als sei sie jünger - das ist nichts anderes als das Herumdoktern an Symptomen. Ein wenig ist es so, als würde man einem Schauspieler, der wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird, empfehlen, sich das Gesicht weiß anzumalen.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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