Die CDs der Woche - Popkolumne:Verblüffende Paarungen

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Rihanna und Eminem geben in den USA gerade eine Reihe von Konzerten zusammen. Hier bei den MTV Video Music Awards 2010. (Foto: GettyImages/AFP)

Die Kraft der zwei Herzen: Rihanna und Eminem ergänzen sich überraschend gut, Drake und Lil Wayne weniger, Lady Gaga und der 88-jährige Tony Bennett spielen Casino Jazz. Die Popkolumne - zum Lesen und Hören.

Von Max Fellmann

Die Kraft der zwei Herzen: Diese Woche gibt es lauter Neuigkeiten von ungewöhnlichen Paarungen. Im Gegensatz zu Literatur oder bildender Kunst geht es bei Musik ja fast immer um die Zusammenarbeit von mehreren Menschen. Gelingt die Zusammenarbeit? Kommt da mehr raus, als wenn jeder allein seine Arbeit verrichten würde? Oder ist das Miteinander nur kalkulierte Marketing-Strategie: doppelte Zielgruppe, doppelter Umsatz?

Nach Strategie sieht es bei Rihanna und Eminem tatsächlich aus. Die beiden geben in den USA gerade eine Reihe von Konzerten zusammen. Eingeleitet werden sie von einem Film, einer Parodie auf "Das Schweigen der Lämmer", in der Rihanna ein Gefängnis besucht und dort auf Eminem trifft, der wie Hannibal Lecter gefesselt ist.

Die Schöne und das Biest, danke, schon verstanden. Die ersten Mitschnitte stehen bei Youtube. Das Ganze ist jedoch viel ordentlicher aufgezogen, als man es hätte befürchten können, die Kritiker sind sogar regelrecht euphorisch. Die beiden eröffnen die Abende mit sechs gemeinsamen Songs, dann singt Rihanna 17 Lieder, Eminem rappt 20 hinterher, dazwischen treten die beiden auch zusammen auf.

Richtig viel Angebot also. Und noch dazu ergänzen sich die beiden Show-Bestandteile verblüffend gut: Hip-Hop-Machismo wird durch weibliches Selbstbewusstsein ausgeglichen, Rihannas manchmal arg süßliche Balladen durch Eminems immer noch irritierendes Halbpsychopathentum. Eine Paarung, die tatsächlich mehr bietet als zwei einzelne Konzerte.

Auf dem Weg zur Jahrmarktsgaudi

Etwas weniger überzeugend dagegen die Kombination Drake und Lil Wayne. Zwei Rapper mit ähnlichem Image und nicht gerade diametral entgegengesetzten musikalischen Ansätzen gehen gemeinsam auf Tournee, betonen aber, sie seien natürlich Konkurrenten, als Zuschauer werde man Zeuge der ultimativen Rap Battle. Nun ja.

Das Besondere in diesem Fall ist, dass es - 21. Jahrhundert! - passend dazu eine App gibt: Vor jedem Stopp der Tournee wird durch die "Energie der Fans" bestimmt, welcher Rapper den Abend eröffnet. Energie bedeutet in diesem Fall, dass die Fans auf ihren Smartphones möglichst hektisch ein "D" (für Drake) oder ein "W" (für Lil Wayne) drücken müssen.

Es gibt im Internet auch ein Promotion-Filmchen, in dem Drake das Spiel etwas wirr erklärt, er selber scheint es nicht ganz zu verstehen. Aber so viel ist klar: Die Idee der Rap Battle hat ohnehin schon immer an die Sprüche von Schwergewichtsboxern vor dem nächsten Kampf erinnert, aber das, was Drake und Lil Wayne jetzt veranstalten, ist der Schritt vom musikalischen Wettstreit zur Jahrmarktsgaudi.

Überraschendes Paar, ganz anderes Gebiet: Lady Gaga und Tony Bennett, laut eigenen Angaben beste Freunde, haben für Herbst ein gemeinsames Jazz-Album angekündigt. Schon jetzt gibt es die erste Single, eine Version des Cole-Porter-Klassikers "Anything Goes".

Und nein, sie fügt dem Genre "Gut abgehangener Casino-Jazz" rein gar nichts Neues hinzu. Schon seit Jahren wagt da niemand radikale Sprünge, wozu auch, ob Paul Anka Hits von heute singt oder Robbie Williams Hits von vorgestern, es geht immer nur darum, Erwartungen zu erfüllen.

Genau das tun auch Lady Gaga und Tony Bennett. Nummer-sicher-Jazz, der im Familienfernsehen genauso gut funktioniert wie im Aufzug. Schade, da hätte mehr drin sein können.

Sympathisch aber ist das Video zum Lied: Die notorisch aufgekratzte Lady Gaga hüpft in ständig neuen Verkleidungen durchs Bild und agiert heftig vor dem Mikrofon - der gute Tony Bennett dagegen, ein Herr von 88 Jahren, liest beim Singen konzentriert den Text vom Spickzettel, achtet nicht weiter auf das Divengetue und tut genau das, was er wie nur wenige seiner Generation schon immer konnte: geradeaus singen, unprätentiös, selbstverständlich. Ganz groß. Man wünscht sich auf der Stelle noch ein neues Soloalbum von ihm.

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Und dann noch die seltenste Form von Duo: Geschwister. Die Australier Angus und Julia Stone hatten vor vier Jahren einigen Erfolg mit dem sanften Folkpop ihres Albums "Down The Way".

Danach veröffentlichten sie jeweils Soloplatten, angeblich hat der Halbgottproduzent Rick Rubin sie überreden müssen, jetzt doch wieder zusammen zu musizieren. Wenn es so war, dann sei ihm herzlich dafür gedankt, denn das neue Album, das "Angus & Julia Stone" heißt, ist fast noch besser als ihr voriges.

Americana-Pop, viele Folk-Einflüsse, die verhuschte Art von Country, die auch Wilco so wunderbar können, behutsam gezupfte Gitarren, schläfriger Gesang, Veranda-Atmosphäre, der Geruch von Maisfeldern und trockenen Wiesen. Man möchte mit dieser Musik Sommernächte auf dem Dach verbringen (und das geht in diesem Fall sogar jetzt noch, auch wenn der Sommer sich schon ziemlich verabschiedet hat: Die Musik hält warm.)

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© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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