Debatte um #MeToo:Nein, es wurde noch nicht genug geredet

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Metoo-Demonstrantin auf dem Walk of Fame in Hollywood. (Foto: REUTERS)

Die "MeToo"-Debatte läuft für manche Männer schon viel zu lange. Doch das Gegenteil stimmt - denn auch in Deutschland melden sich immer mehr Betroffene.

Kommentar von Alex Rühle

Einige Männer klingen momentan, als geschehe ihrem empfindsamen Innenleben großes Unrecht, weil diese #MeToo-Debatte ja immer noch an kein Ende gekommen ist. Oder als stünden sie inmitten eines garstigen Wirbelsturms, mit dem sie nichts zu tun haben und der alles nur so furchtbar durcheinanderbringt. Noch irritierender sind freilich die Texte, in denen mit herablassender Wucht der längst überfällige Streit über verschwitzten Sexismus, unverhohlenen Machtmissbrauch und kollektive Schweigekartelle als "überreizte Debatte" abgetan wird, so als würden hier geltungssüchtige Frauen "McCarthy-haft" ihr Mütchen kühlen.

Zum einen ist es in diesem Fall ausnahmsweise mal nicht Sache der Männer, den Frauen zu erklären, wann genau sie sich verletzt oder gedemütigt fühlen dürfen. Zum anderen wird in solchen Texten insinuiert, dass die Frauen jetzt zum kollektiven Rufmord blasen. Aber wo wäre das in Deutschland der Fall gewesen? Es ist doch im Gegenteil auffällig, dass hierzulande noch kein einziger Mann namentlich genannt wurde.

In dieser Woche gab es zwei in ihrer Detailwucht verstörende Texte, die man beide auch online findet. In dem einen beschreibt die Stern-Redakteurin Ulrike Posche ganz nüchtern, wie sie wieder und wieder sexistische Sprüche, und zwar schlüpfrigen Dreck der übelsten Art, über sich ergehen lassen musste. Der Text zeigt, wie viele Chefs sich auch in Zeiten vermeintlicher Gleichberechtigung eine Kultur des behäbigen Sackkratzertums bewahrt haben.

Ein Verleger, der Frauen "ungefragt zur Begrüßung in den Schritt greift"

Posche hat ein Foto von einer Dienstreise mit einem Minister gefunden, auf dem seine Hand auf ihrem Knie liegt, während sie stillhält und gewissenhaft aufschreibt, was er sagt. Hat sie deshalb "McCarthy-haft" reagiert? Im Gegenteil. Sie nennt den Namen des Ministers genauso wenig wie die all der anderen krass übergriffigen Männer aus ihrem Text.

Zum anderen schreibt Carolin Würfel in der Zeit, wie häufig sie und ihre Freundinnen in der Berliner Kulturszene rüden Sexismus und Schlimmeres erlebt haben. Ein Verleger, der Frauen "ungefragt zur Begrüßung in den Schritt greift", und Ähnliches zuhauf. Beide Texte sind Abrechnungen. Aber nicht mit einzelnen Personen, sondern mit einer Kultur der Niedertracht. Und einer Kultur des kollektiven Schweigens. Von Seiten der Männer wie der Frauen.

Nein, es wurde noch nicht genug geredet. Und Debatten wie Aufschrei und MeToo führen auch bestimmt nicht dazu, dass ein Mann nicht mehr weiß, ob er überhaupt noch einer Frau die Tür aufhalten darf. Sie führen dazu, dass man heute zumindest einiges, was vor dreißig Jahren passiert ist und damals als normal galt, einfach nur geschmacklos und eklig findet. Immerhin ein Anfang.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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