Ein Mann schreckt hoch, so setzt dieser Film ein, er hockt im Sand, unter glühender Sonne, er weiß offensichtlich nicht, wo er ist und wie er dorthin geriet. Daniel Craig ist der Mann, eine verkniffene, ein wenig verhärmte Visage, man kennt ihn aus britischen Kleingangster- und aus den neuesten James-Bond-Filmen. Ein wenig erinnert er auch an Rango, den schuppigen Chamäleonhelden aus Gore Verbinskis gleichnamigen Zeichenfilmwestern. Nun ist er, in der Wüste von Arizona, ein Fremder ohne Namen, ein stranger on the run.
Und er hat die Reflexe, die ein Westerner braucht, um zu überleben - innerhalb weniger Sekunden schafft er es, drei großsprecherische Gegner, die herbeigeritten kamen, lässig zu erledigen. Dabei ist ihm eine merkwürdige Manschette aus einer unbekannten Legierung überaus dienlich, die er am Arm trägt und von dort nicht mehr runterkriegt, und die im Ernstfall tödliche blaue Energiebündel spuckt.
Das war im Western immer schon gefährlich und ziemlich dumm, einen unbekannten Gegner zu unterschätzen, zu schematisch auf ihn zu reagieren, nicht gewappnet zu sein für unerwartete Tricks, für verblüffende Taktiken. So ähnlich erging es uns, als wir uns in den Sechzigern dem neuen Genre des Italowesterns gegenüber sahen mit seinen einzelgängerischen, erratischen Helden - Clint Eastwood, Franco Nero, Lee Van Cleef, sie kamen damals gewissermaßen wie von einem anderen Planeten daher, schweigsam, ein Zigarillo im Mund, ohne Geschichte, ohne Erklärung für ihr Hiersein, ohne Motive.
Als der erste Trailer zu ,,Cowboys & Aliens'' im Internet erschien und überfallartig zwei der stärksten Hollywoodgenres aufeinanderkrachen ließ, gab es gewaltige Konsternation unter den Kritikern und Bloggern - wie ernst sollte man das nehmen, diese Großproduktion, zu deren Produzenten Steven Spielberg und Ron Howard zählten, dazu inszeniert von Jon Favreau, dessen ,,Iron Man''-Filme zu den subtileren der Superheldenfilme zählten.
Daniel Craig bleibt jedenfalls ein sympathischer Fremdkörper in diesem Westernfilm, er begibt sich - mit dem Hund der drei Erledigten - in die nächste Stadt, die den Namen Absolution trägt, und gerät in die paar Situationen, um die kein Neuankömmling bei den misstrauischen Stadtbewohnern herumkommt. Ganz besonders nicht beim Groß-Rancher, der die Gegend beherrscht, Harrison Ford. Die Stadt wird terrorisiert durch eine unerwartete Attacke feindlicher Ufos und Drohnen, die sich Leute schnappen und entführen und hinter denen sich abartige Monsterkreaturen aus dem All verbergen. Ein Raumschiff haben sie nahe der Stadt positioniert, als einen Felsen getarnt.
Die Jagd auf die Aliens vereint die Städter und Rancher zum Verfolgungs- und Rachetrupp, ein wenig später kommen dann noch die Indianer dazu, die jungen Ungestümen vereinen sich mit den erfahrenen Alten - die junge amerikanische Nation erprobt ihre Identität und Solidarität, ihre Fähigkeiten und ihre Widerstandskraft dem unbarmherzigen Feind von draußen gegenüber. Nur wenige Wochen vor dem zehnten Jahrestag des 11.September ist der Film in die Kinos gekommen.
Man sollte nicht allzu puristisch sein angesichts des grotesken Genre-Mix, den dieser Film recht ernsthaft praktiziert - es war eine nicht ganz ungewöhnliche Prozedur in der Geschichte der B-Movie-Produktion. Als Glanzstück galt unter Kennern bislang ,,Jesse James Meets Frankenstein's Daughter'' von 1966, dessen Naivität und lustvolle Infantilität Jon Favreau schon deshalb nicht erreicht, weil er sich am Ende in ein sinnloses Destruktionsspektakel verrennt. Immerhin, die Frankensteins zogen in den Südzipfel von Amerika, weil dort die elektrisch geladenen Wüstenstürme am besten waren für ihre ambitionierten, kreativen Experimente.
Der Western war in den ersten Kinojahrzehnten, in der Stummfilmzeit und in den Dreißigern, ein zeitgenössisches Genre, der Cowboy eine gegenwärtige Figur. Noch John Wayne hat sich in den Jahren vor ,,Stagecoach'' mit Gegnern herumgeschlagen, die Autos und Flugzeuge zum Einsatz brachten. Gene Autry, der singende Cowboy, hatte eine eigene Sendestation, die Radio Ranch, in seinem Mascot-Serial ,,The Phantom Empire'' - und musste plötzlich entdecken, dass unter dem Wüstenboden das gigantische hypermodern entwickelte Reich Murania unter seiner blonden Königin Tika lag, mit Robotern und Laserwaffen.
Nach dem Krieg ist der Western zum historischen Genre geworden und der Westerner immer mehr zur mythischen Figur. Die Expansion nach Westen war abgeschlossen, aus der der amerikanische Traum jahrzehntelang seine Dynamik bezogen hatte, die Filme kreisen, bei aller rasanten Action, um die Frage der Sesshaftigkeit, um Orte des Rückzugs, der Kontraktion, der potentiellen Umzingelung - ein Lagerfeuer, eine Wagenburg, eine Ranch, eine Stadt. Erst die Science-Fiction der Fünfziger richtet, mit ihren ,,It came from outer space''-Filmen, den Blick wieder nach draußen, setzt Bewegung in die Weite und Ferne noch einmal in Gang.
Für diese Interferenzen, diese widersprüchlichen Bewegungen der Geschichte und der Kinogeschichte hat ,,Cowboys & Aliens'' wenig Interesse. Nur seine Akteure entwickeln historisches Gespür, für ihre Rollen, für ihr Genre - Harrison Ford als ein Mann der Spielberg-Lucas-Generation, die einst das Kino neu entdeckte und nun sich selbst nur noch als Kinogeschichte zu sehen scheint. Daniel Craig aus einer jüngeren Generation, die sich wundert, ob das Kino überhaupt noch Zukunft hat - mit hochgekrempelten Ärmeln verweist er beharrlich auf seine Proll-Herkunft. In ihrem Spiel, in ihrem Zusammenspiel findet der Film Kontur und Spannung, eine schöne Selbstreflexion.
COWBOYS & ALIENS, USA 2011 - Regie: Jon Favreau. Buch: Roberto Orci, Alex Kurtzman, Damon Lindelof, Mark Fergus, Hawk Ostby. Kamera: Matthew Libatique. Mit: Daniel Craig, Olivia Wilde, Harrison Ford, Clancy Brown, Noah Ringer, Sam Rockwell, Paul Dano, Keith Carradine. Paramount, 118 Minuten.