Popkolumne:Auf keinen Fall an die Prinzen denken

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Der beste Tipp, den Courtney Love jungen Frauen einst gegeben hat: Wenn Harvey Weinstein dich ins Hotel einlädt, geh nicht hin! (Foto: Globe Photos/imago images/MediaPunch)

Courtney Love weint beim Gedanken an Britney Spears, Mieke Miami schreibt ein Anti-Wiegenlied, bei dem auch geweint wird. Und Aliens gibt es auch noch.

Von Juliane Liebert

Diese Woche hat Courtney Love auf ihrem Instagram-Account Britney Spears' "Lucky" gecovert und dabei geweint. Sie spielt den Song auf der Gitarre, und es klingt, als sei sie der vorletzte Gast auf einer Hausparty, der die Hausklampfe entdeckt hat. Aber Courtney Love hat meistens recht. Eine Erkenntnis schon der vergangenen Jahre, seit ein Video von 2005 auftauchte, in dem sie junge Schauspielerinnen vor Harvey Weinstein warnte. Auf dem roten Teppich wurde sie nach Tipps für ein "junges Mädchen, das nach Hollywood" zieht gefragt. Ihr Rat: "If Harvey Weinstein invites you to a private party in the Four Seasons: don't go." Weise Worte. Loves Cover folgt auf Spears' Aussagen über die Zustände, denen sie in ihrer Conservatorship ausgesetzt ist. Spears erklärte, sie müsse touren, dürfe nicht heiraten und werde gegen ihren Willen gezwungen, ihre Spirale zu behalten, obwohl sie ein weiteres Kind wolle. Da kann man schon mal heulen.

(Foto: N/A)

Zu Ehren von Britney Spears besprechen wir hier deshalb diese Woche nur Frauen. Die junge Londoner Musikerin Enny etwa hat ihren Job gekündigt, um Musik zu machen. "Under Twenty Five" (Famm) ist ihre Debut-EP, und tatsächlich hört sie sich mit ihren Neunzigerjahre-Vibes und ihrer zeitgenössischen Produktion an, als hätte es sie schon immer gegeben, und Enny hätte die Tracks nur aus dem kollektiven Unterbewusstsein von South London in Form gegossen. In der Single "Same Old" protestiert sie gegen Gentrifizierung, wörtlich "Fuck You and Your Gentrification", der Bass stimmt ihr eindeutig zu, während die Götter des R'n'B entspannt mitwippen. Getränketipps hat Enny auch: "One glass of malibu with mango juice", und wenn man dann noch nicht beschwipst ist, findet man hier auch noch mal ihre Hitsingle vom vergangenen Jahr: In "Peng Black Girls" geht es um Zusammenhalt und Diversität. "Little vibe, little bass, little kick, little snare, little lies, big truths / Do you, they don't care" rappt sie. Meint sie die Götter des R'n'B oder die Gentrifizierer?

(Foto: N/A)

Apropos, werden wir bald von Aliens gentrifiziert? Und wie ist deren Musikgeschmack so? Jetzt, wo Obama und das Pentagon die Existenz von Ufos quasi bestätigt haben, hört man Spacerock und Konsorten gleich mit ganz anderen Ohren. Und man fragt sich: Was weiß Mieke Miami, was wir nicht wissen? Denn ihr neues Album, "Montecarlo Magic" (Fun in the Church/H'Art), ist eindeutig erst in zweiter Instanz für Menschen gedacht. Und in erster für deutlich intelligentere Lebensformen mit einer Liebe für weirde Musik. Schon im ersten Song, "Californio", beschwört sie die Lidaju Sisters herauf (wer die Lidaju Sisters nicht kennt - sofort "Come On Home" anhören), eine Flöte lockt wie seinerzeit bei Eric Burdons "Spill the Wine", die Geister von Ariel Pink und John Maus setzen sich von ihrer Pro-Trump-Demo ab und werden von Miami auf den richtigen Weg zurückgeleitet. Ein wenig Psychic-TV, ein wenig Riot Grrrl, Spacesounds dazwischen. Der stets präsente Bass und Miamis leicht heisere Stimme halten alles zusammen. Streicher mischen sich ein. "Cry Baby Cry" ist ein Anti-Wiegenlied. In dem fordert Miami ein Kleinkind auf, doch bitte mehr zu weinen, denn die Mutter habe es nicht anders verdient. Sehr schön. Gib's ihr. Schließlich galoppiert das Album mit dem letzten Track "Way Out West" im Takt eines humpelnden Ponys davon. Morricone auf dem Rücken. Und die Nacht beginnt.

(Foto: N/A)

Die Nacht widmen wir Charlotte Day Wilson. Man kennt die kanadische Songwriterin von dem wunderbar schleppenden "Work", einer Hymne über die Seite der Liebe, die in Songs gerne vernachlässigt wird: die verdammte emotionale Arbeit, die jede Beziehung braucht, um zu überleben. Wilsons neues Album "Alpha" beginnt mit einer einzelnen, wiederholt gespielten, düsteren Klaviernote und einem Chor. Ihre warme, dunkle Stimme beginnt, eine cinematisch dichte Atmosphäre aufzubauen, aber dann, leider, leider ... wie soll man es sagen: Es gibt sehr viele A-capella-Chöre , und spätestens ab den Dumdidums bei Minute drei muss man unweigerlich an Die Prinzen denken. Und wenn man einmal daran gedacht hat, geht der Gedanke nicht mehr weg. Man hat den Rest des Albums eine Crossover-Band von Taylor Swift und den Prinzen vor seinem inneren Auge. Was nicht schlecht sein muss. Nichts gegen die Prinzen. Aber die Prinzen sangen eben auch "Küssen verboten", und Charlotte Day Wilson hat definitiv Knutschmusik gemacht, die einen einweben soll mit Tiefe, Epik, die haptisch und fett produziert ist, aber mit Regensamples und auf jeden Fall ironielos. Das verträgt sich nicht. Die R'n'B-Götter können nicht gewollt haben, dass Charlotte Day Wilson und die Prinzen im gleichen Universum existieren. So entstehen Wurmlöcher. Beinahe sicher. Also, wer "Alpha" genießen will, sollte beim Hören auf keinen Fall an die Prinzen denken. Nein. Nicht.

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