Neue Musik:Das sind die Alben der Woche

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Bittet um Vertrauen: Rapper* Mykki Blanco (Foto: Jack Mannix)

Eloise kommt eine glanzvolle Jugend lang ohne Widerhaken aus, die "Kings of Convenience" sind flauschiger als Kaschmir. Und Rapper* Mykki Blanco wirft die Frage aller Fragen auf: Wie riechen Hamster?

Von Juliane Liebert

(Foto: N/A)

Eloise - "Somewhere In-Between"

Eloise ist 21, Britin und hat schon alles erlebt. Glückliche Kindheit in Frankreich, Filmdreh mit Hollywoodstars. Songwriting mit Damon Albarn. Wer wünscht sich das nicht? Noel Gallagher mutmaßlich z.B. und Menschen, die wegen "Song 2"-Ohrwürmern seit Jahren in psychiatrischer Behandlung sind. Aber wir wollen Eloise nicht ihre glanzvolle Jugend madig machen. So konnte sie im Lockdown wenigstens in Erinnerungen an bereits abgehakte Abenteuer schwelgen, da wird das erzwungene Drinhocken gleich viel entspannter. Jetzt, wo die immer geimpftere Welt zwischen fortdauernder Seuchengefahr und Aufbruch in die roaring Twenties schwankt, erscheint auch noch "Somewhere In-Between", ein kurzes, aber rundes Album mit lieblichstem Lounge-Soul. So galant zu den Ohren, dass man schon fast von Understatement sprechen muss. Weil Eloises jazzige Songs, die traditionsbewusst den alten Zwiespalt zwischen Autonomie- und Liebesbedürftigkeit vermessen, in jedem gehobenen Hotelrestaurant als Hintergrund laufen könnten, um die Datechancen von einsamen Managern zu erhöhen. Milde, aber bassstarke Grooves lassen die Schmetterlinge im Bauch vibrieren. Im E-Piano-Riff von "Who's she" weht von fern etwas 80s-Pathos. Und die Melodien kriegen jedes empfindsame Herz im Nullkommanichts rum. Ein paar Widerhaken oder wenigstens Streicheleinheiten gegen den Strich hätten der Musik nicht geschadet. Aber Understatement meint nicht falsche Bescheidenheit. Eloise singt mit einer entspannten Raffinesse, die man im Pop nur selten hört. Und ihr leicht angedunkeltes Timbre ist ein Geschenk. Juliane Liebert

(Foto: N/A)

Half Moon Run - "On and On"

Half Moon Run kommen aus Kanada. Das heißt, sie machen immerhippen Indie. Weil ausnahmslos alle Kanadier außer Neil Young (der aber auch schon lange in Kalifornien wohnt) immerhippen Indie machen. Bestimmt sogar Justin Trudeau. Wetten, sobald er mit der Politik aufhört, erscheint das Album? Wie dem auch sei, im Fall des rennenden Halbmonds oder halbmondischen Laufs ist der immerhippe Indie sehr folky. Also wird regelmäßig eine Akustikgitarre gezupft, die mindestens so nah und wohlig warm wie Taylor Swifts Cardigan ist. Und, was soll man sagen, im Opener der neuen EP "On and On" gelingt es ihnen, die Zupfgitarre ausgehend von dem eher nach Pferdekuss klingenden Vers "How come my body fits just like a bruise" auf kaum mehr als zwei Minuten zu einer himmelsstürmerischen Hymne auszubauen. "This year I don't celebrate Fucksgiving" heißt es wiederum im dritten Song. Man muss nicht wissen, was genau Connor Molander, Devon Portielje und Dylan Phillips uns mit diesem Statement sagen wollen, um überzeugt zu sein: Sie haben recht. Was mehr kann eine EP erreichen? Juliane Liebert

(Foto: dpa)

Die Kings Of Convenience - "Peace Or Love"

Nach sagenhaften zwölf Jahren ein neues Album der zwei Norweger. Hätte man eigentlich gut schon im Lockdwon brauchen können. Schließlich macht niemand sonst Musik, die so exakt zum Runterbremsen passt, zum Einigeln. Die Kings Of Convenience sind die Poster Boys für eine Generation, die zwar online ständig mit der ganzen Welt verbunden ist, es aber eigentlich doch eher zu Hause gemütlich mag. "Peace Or Love", das sind elf Songs wie hingetupft, zarte Töne, weicher noch als Kaschmirdecken. Zwei helle Stimmen, zwei akustische Gitarren, ab und zu Kontrabass und Geige, der Rhythmus mal sachter Samba, mal lauschiges Lagerfeuer, die Texte behutsame Nachdenklichkeit. Wer schlechte Laune hat, mag so etwas Wohlfühlmusik nennen. Aber wer gute Laune hat, erst recht. Musik, in der man sich wohlfühlt. Herrlich! Max Fellmann

(Foto: N/A)

Mykki Blanco - "Broken Hearts & Beauty Sleep"

Auch Rapper* Mykki Blanco bittet direkt zu Beginn seines neuen Albums "Broken Hearts & Beauty Sleep" um Vertrauen. Nur um uns dann — nachdem wir von Dance, Jazz und Houseanleihen eingelullt wurden — von einem nach Hamster riechenden Penis zu erzählen. "He told me J. Cole saved rap, well how about that / I told him your dick smells like hamsters, go take a bath". Zwischenfrage: Wie riechen Hamster? Nach .. Stroh? Über den Schock helfen die fabelhaften Backgroundgesänge hinweg, die die vielen Genreausflüge und fixen Ideen zusammenhalten. Im Track "Patriarchy Ain't The End Of Me" tauchen sie engelsgleich mit Ah und Oh, von Geigen umschmeichelt, aus dem Nichts auf. Das Tempo verlangsamt sich, bis der Song langsam erstickt. Ob Blanco in den Himmel zu den Geigen aufgestiegen ist oder das Patriarchat doch gewonnen hat, bleibt offen. Hoffen wir das Beste. Juliane Liebert

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