Brigitte Hobmeier im Porträt:Unter Bayern

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Die Kunst ist viel, die Familie ist alles. Ein Treffen mit der Schauspielerin Brigitte Hobmeier, die nicht nur auf der Bühne stehen will.

Katharina Riehl

Der Berg ist steil, der hölzerne Koffer auf dem Rücken schwer, Brigitte Hobmeier als Hebamme Rosa müht sich den grasgrünen Abhang hinauf. Sie trägt einen langen Rock zur kunstvollen roten Flechtfrisur. Dahinter Alpenpanorama, wir befinden uns Anfang des 19. Jahrhunderts.

Vor allem am Theater spielt Brigitte Hobmeier, aber auch im Kino und im Fernsehen. Das Bild zeigt sie als Hebamme Rosa Koelbl in dem ZDF -Film "Die Hebamme".  (Foto: Christian Hartmann/ZDF)

Wenn Brigitte Hobmeier im Fernsehen oder im Kino zu sehen ist, sieht man häufiger Berge. Sie trägt dann einfache Kleider aus Baumwolle und spricht ihr wunderschönes, tiefes Bayerisch. In Marcus H. Rosenmüllers Wilderer-Drama Räuber Kneißl zum Beispiel, oder in Bettina Oberlis Bauernhof-Krimi Tannöd, und nun eben im von Dagmar Hirtz inszenierten Film Die Hebamme, der am 1.November im ZDF zu sehen sein wird. Keine Alpenromanze, ein schöner, ernster Film, eine typische Hobmeier-Rolle.

"Natürlich werden im Film eher Typen gesucht", sagt Brigitte Hobmeier, "ich habe bestimmt kein sehr modernes Gesicht. Es gibt in Deutschland wahrscheinlich fünf Schauspielerinnen, die die Hebamme hätten spielen können." Im Theater, dort also, wo die Schauspielerin berühmt wurde, fällt es schwerer, einen klassischen Hobmeier-Typ zu identifizieren: Sie spielte Wedekinds Luder Lulu, Rainer Werner Fassbinders Soldatengattin in Die Ehe der Maria Braun, die Selbstmörderin Elisabeth in Ödön von Horváths Glaube, Liebe, Hoffnung. In Herbert Achternbuschs Susn spielt sie gleich vier Frauenrollen auf einmal.

In München ist sie bekannt

Im Volkstheater ist Brigitte Hobmeier bekannt geworden, spielte unter Christian Stückl, der selbst neu war in dem Münchner Haus. 2006 holte Frank Baumbauer sie an die Kammerspiele. Von Publikum und Kritikern wird sie gefeiert, gewann den Theaterpreis Faust. In München ist Brigitte Hobmeier bekannt, dort ist sie aufgewachsen. Im Vorort Ismaning ist sie ein Star.

Aber Brigitte Hobmeier, 34, Mutter eines kleinen Sohnes, will nicht nur auf die Bühne, sie will auch Fernsehen machen, Kino und Radio. Gerade hat sie einen Tatort gedreht, im bayerischen Radio-Tatort spricht sie die Polizeiobermeisterin Senta Pollinger. Funktionieren kann das nur, wenn Zeitlücken entstehen, sagt sie. "Wenn mein Hauptarbeitgeber, das Theater, mich rauslässt. Natürlich ist es nicht einfach, neben einem festen Engagement am Theater zu drehen."

Und man muss die Sicherheit eines festen Arbeitgebers wohl gegen das Risiko abwägen. Brigitte Hobmeier erzählt vom vergangenen Jahr. Davon, dass es eigentlich das Jahr der großen Kinoproduktionen hätte werden sollen. "Ich hatte Angebote für drei Hauptrollen", sagt sie. Sie nahm sich eine Saison frei von Kammerspielen, spielte keine neuen Stücke, sondern nur aus dem Repertoire. Dann wurden alle drei Filme abgesagt. Die Krise. "Eine der Produktionsfirmen gibt es gar nicht mehr", sagt sie. Sie lacht dann. Glockenhell, nicht zynisch. "Phasenweise", sagt sie, "habe ich da schon etwas Respekt bekommen."

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Brigitte Hobmeier wählt ihre Worte sehr vorsichtig, oft schweigt sie lange, bevor sie etwas sagt. Manchmal so lange, dass man Zeit hat nachzudenken, ob man vielleicht gerade etwas wahnsinnig Dämliches gefragt haben könnte. Immer wieder fährt sie sich mit ihren Fingern in das sommersprossige Gesicht, spielt mit ihren Haaren, die sie zum großen Teil unter eine Mütze gestopft hat. Brigitte Hobmeier ist nie laut, eher zurückhaltend. Dass sie auf Bühne und Leinwand durchaus das Zeug hat für bayerischen Krawall, merkt man ihr nicht an. Auch ihren Dialekt kann man kaum hören. Nur einmal, als sie eine Szene aus der Hebamme nacherzählt, da spricht sie dieses tiefe Bayerisch, das so gut passt in den traurigen Bergdorf-Film.

Oft sagt sie lange gar nichts

Dagmar Hirtz, die Regisseurin der Hebamme, sagt, dass Brigitte Hobmeier perfekt gewesen sei für die Rolle. "Nicht nur wegen ihres besonderen Aussehens, mir gefällt an ihr vor allem das Erdige, diese Mischung aus Kraft und Verletzlichkeit." Und eben der Dialekt: Der Umgang damit sei eine von Hobmeiers Stärken, sagt die Regisseurin.

Das Bayerische hat Brigitte Hobmeier in ihrer Karriere bisher geschickt einzusetzen gewusst. Nach ihrer Ausbildung an der Folkwangschule in Essen und drei Jahren im Faust-Ensemble von Peter Stein steht sie im Jahr 2001 vor der Wahl: das Schauspielhaus in Düsseldorf oder das kleine Münchner Volkstheater. "Alle haben mich für verrückt gehalten, dass ich ans Volkstheater bin, mit dieser Entscheidung stand ich ganz allein auf weiter Flur. Meine Kollegen haben gefragt: "Wie kannst du nur an ein kleines Haus gehen?"

An diesem kleinen bayerischen Haus traf sie auf Christian Stückl, den damals neuen Intendanten, der derzeit wieder in Salzburg den Jedermann inszeniert. "Wir haben uns einfach gefunden", sagt sie. "Wenn der mich angeschaut hat, dann wusste ich, was er meinte. Das war für uns beide ein großes Glück."

Mit Stückl und dem jungen Team um Brigitte Hobmeier schaffte das Volkstheater eine 90-prozentige Auslastung bei Vorstellungen. Und mit noch einem hat sie sich gefunden. Marcus H. Rosenmüller, selbst erst vor ein paar Jahren groß in Erscheinung getreten mit dem bayerischen Kino-Erfolg Wer früher stirbt ist länger tot, besetzte sie im Räuber Kneißl und als junge Mutter im Bayern der 30er Jahre in Die Perlmutterfarbe. Derzeit drehen sie in Oberbiberg Orange, eine Tragikomödie über eine Gruppe Berliner Sannyasins, die sich in der bayerischen Provinz niederlassen.

Brigitte Hobmeier macht nicht den Eindruck, als spräche sie wahnsinnig gern über die Branche, den Ruhm, sich selbst. Und sie ist niemand, der sich gern in Thesen hineinquatschen lässt, die sich andere Leute über sie gemacht haben. In die These zum Beispiel, dass das Bayerisch-erdig-Bodenständige, das sie so gut kann, ihr den Zugang zu anderen Rollen versperren könnte.

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Über ihren Beruf scheint sie lieber zu sprechen, wenn sie Konkretes erzählen kann. Zum Beispiel von ihrem spontanen Auftritt bei Endstation Sehnsucht in den Kammerspielen vor ein paar Wochen, wo sie einspringen musste. Innerhalb eines Tages lernte sie in unzähligen Sprachen "Happy Birthday" zu singen und klebte sich das Textbuch hinter die Kulisse.

Derzeit steht Brigitte Hobmeier auch in Berlin auf der Bühne, gemeinsam mit einem anderen gefeierten jungen Theater-Star. An der Seite von Lars Eidinger spielt sie Lars Noréns Dämonen. Lars Eidinger hatte vor einem Jahr seinen großen Durchbruch im Kino mit dem Film Alle anderen. Vor wenigen Wochen las man eine große Geschichte über ihn, den Mann zwischen Bühne, Bildschirm und Leinwand. Eidinger sei, so hieß es im Zeit-Magazin, wohl deshalb so omnipräsent auf der Bühne, im Polizeiruf, an der ZDF-Hafenkante, weil er bewundert werden möchte. Es sei "das ewige Thema des Kindes, das von seinen Eltern geliebt werden will".

Und Brigitte Hobmeier? Fragt man sie danach, was sie neben ihrem Job am Theater vor die Kamera treibt, dann spricht sie nicht von Selbstverwirklichung oder neuen Herausforderungen. Sie sagt: "Wenn ich nicht hin und wieder drehen würde, wüsste ich nicht, wie ich meine Familie durchbringen sollte."

Ein typischer Hobmeier.

© SZ vom 27.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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